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Teilboykott in Venezuela
Kommunisten und eine Reihe kleinerer linker Parteien wollen sich nicht an den anstehenden Wahlen beteiligen
María Corina Machado trommelt seit Monaten zum Boykott. »Bleib diesen Sonntag zu Hause, geh nicht hinaus, gehorche ihnen nicht!«, rief die venezolanische Oppositionsführerin vor wenigen Tagen in einer Videobotschaft auf. Mit »ihnen« meint Machado die regierenden Chavist*innen um Nicolás Maduro, der die Präsidentschaftswahl im Juni vergangenen Jahres unter massiven Betrugsvorwürfen gewonnen hatte. Bis heute veröffentlichte der Nationale Wahlrat (CNE) keine detaillierten Ergebnisse. Die Opposition geht fest davon aus, dass eigentlich ihr Kandidat Edmundo González vorne lag.
Den Parlaments- und Regionalwahlen am 25. Mai 2025 bleibt die Mehrheit der rechten Opposition daher fern. Ein Teil der Regierungsgegner*innen um den früheren Präsidentschaftskandidaten Henrique Capriles tritt hingegen mit einer ad hoc zugelassenen neuen Gruppierung namens Unión y Cambio (Vereinigung und Wandel) an. Erklärtes Ziel ist es, der Regierung nicht alle politischen Räume zu überlassen und Vorhaben wie eine angekündigte Verfassungsreform auszubremsen.
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Allerdings wird sich das neue Parlament erst im Januar 2026 konstituieren. Im aktuellen Kongress verfügt die Regierung über eine Zweidrittelmehrheit, die vergangene Parlamentswahl 2020 war von der rechten Opposition ebenfalls boykottiert worden. »Es stimmt nicht, dass die Stimmabgabe die Regierung reinwäscht«, erklärte Capriles im Anschluss an eine Wahlkampfveranstaltung Mitte Mai. »Im Gegenteil, die Stimmabgabe dient dazu, die Regierung zu bestrafen, gegen sie zu protestieren und Widerstand zu leisten.«
Capriles selbst kandidiert für einen Parlamentssitz. Ein 2017 gegen ihn verhängtes, 15-jähriges Antrittsverbot wurde anscheinend aufgehoben, eine öffentliche Verlautbarung gab es nicht. Auch andere Kräfte haben dem rechten Oppositionsbündnis Plataforma Unitaria Democrática (PUD) den Rücken gekehrt, darunter der Gouverneur des westlichen Bundesstaates Zulia, Manuel Rosales, der sein Amt verteidigen will. Daneben tritt mit der Demokratischen Allianz ein Bündnis an, das als »moderate Opposition« gilt. Dabei handelt es sich überwiegend um frühere Abspaltungen rechter Parteien, die in vielen Fällen selbst Regierungspositionen vertreten.
Gewählt werden am Sonntag 285 Abgeordnete, 24 Gouverneur*innen sowie die entsprechenden Regionalparlamente. Erstmals soll auch der Gouverneursposten für das völkerrechtlich umstrittene Esequibo-Gebiet besetzt werden. Dieses beanspruchen sowohl Venezuela als auch Guyana, die Spannungen könnten infolge der Wahl wieder zunehmen. Stimmberechtigt sind lediglich gut 21 000 Personen im angrenzenden venezolanischen Bundesstaat Bolívar.
Für die Regierung Maduro sind die Boykottaufrufe einerseits ein Problem, weil sie die Legitimität der Wahlen infrage stellen. Andererseits dürfte die Spaltung des oppositionellen Lagers dazu führen, dass die Regierung bei einer voraussichtlich niedrigen Wahlbeteiligung den Großteil der Ämter gewinnt. Das Regierungsbündnis Großer Patriotischer Pol wird nahezu komplett von der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) dominiert.
Zwar umfasst es zwölf weitere Parteien, davon hatten aber vier, darunter die Kommunistische Partei (PCV), in den vergangenen Jahren mit der Regierung gebrochen. Im Regierungsbündnis tauchen sie nur auf, weil das Oberste Gericht (TSJ) die Kontrolle über die Parteien jeweils einer regierungsfreundlichen Strömung zusprach, während die Parteien nun auch über nicht zugelassene, regierungskritische Ableger verfügen. Bei mehreren weiteren Parteien des Regierungsbündnisses handelt es sich zudem um relativ neue Kleinstparteien, die kaum Bedeutung haben.
Völlig außen vor bleibt bei den anstehenden Wahlen hingegen die linke Opposition. Seit das Oberste Gericht der Kommunistischen Partei 2023 eine regierungsfreundliche Ad-hoc-Parteiführung vorsetzte, hat diese keine legale Möglichkeit mehr, eigene Kandidaturen aufzustellen. Auch andere regierungskritische linke Parteien konnten sich nicht registrieren.
»Die Stimmabgabe dient dazu, die Regierung zu bestrafen, gegen sie zu protestieren und Widerstand zu leisten.«
Henrique Capriles
Früherer Präsidentschaftskandidat
Bei der Präsidentschaftswahl vergangenen Jahres unterstützte die oppositionelle PCV den zentristischen Kandidaten Enrique Márquez von der Partei Centrados. Márquez wurde am 7. Januar dieses Jahres festgenommen, nachdem ihm die Regierung Putschpläne vorgeworfen hatte. Centrados spricht von einer willkürlichen Festnahme, zur jetzigen Wahl wurde die Partei nicht mehr zugelassen.
Anfang Mai erklärten die Kommunist*innen gemeinsam mit einer Reihe kleinerer linker Gruppen und Parteien, sich nicht an den anstehenden Wahlen zu beteiligen. Die Wahlbedingungen seien »undemokratisch und nach dem Willen der nationalen Regierung, der PSUV und ihrer unterschiedlichen Verbündeten gestaltet«. Der regierungskritischen Linken bleibt also vorerst nur die Aussicht auf außerparlamentarische Opposition. Im derzeitigen Parlament stellt die PCV nur einen einzigen Abgeordneten.
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