Das Lieferkettengesetz wirkt

Bananenarbeiter in Ecuador erkämpfen bessere Bedingungen – und fürchten Ende der Regelung

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch mit dem Lieferkettengesetz erkämpften Gewerkschaften zuletzt auf Bananenplantagen in Ecuador bessere Arbeitsbedingungen.
Auch mit dem Lieferkettengesetz erkämpften Gewerkschaften zuletzt auf Bananenplantagen in Ecuador bessere Arbeitsbedingungen.

Jeden Tag verpackt Katherine Valle Bananen, die wenig später im Kühlcontainer von Ecuador aus auf Weltreise gehen. Das Land ist der größte Bananenexporteur der Welt. Die Plantage, auf der die Anfang 30-jährige Valle arbeitet, befindet sich nur ein paar Fahrminuten von der Kleinstadt Isla de Bejucal entfernt. Jahrelang war der Plantagenbetreiber Otisgraf für miese Arbeitsbedingungen bekannt. »Etliche Arbeiter*innen arbeiteten Vollzeit, wurden aber nur für einen halben Tag bezahlt«, so Anwalt José Barahona, der für die Gewerkschaft ASTAC im Einsatz ist. Die Organisation wurde 2014 gegründet und ist die erste anerkannte Branchengewerkschaft Ecuadors. In der Region um Isla de Bejucal ist sie inzwischen so gut aufgestellt, dass vor ein paar Wochen ein eigenes Gewerkschaftshaus inklusive Gesundheitsberatung eingeweiht wurde.

Eine direkte Folge ihrer Arbeit der letzten Jahre, denn ASTAC agiert nicht nur national, sondern auch global. Die Gewerkschaft ist gut mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vernetzt und beobachtet genau, welche Rechtsmittel sie in Europa oder den USA nutzen kann. Dazu zählt auch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), welches die ASTAC-Anwälte um José Barahona genauestens studiert haben. Im November 2023 wurde die erste Beschwerde gegen Otisgraf über eine befreundete Menschenrechtsorganisation in Deutschland beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) eingereicht. Sie zeigte Wirkung: Heute entsprechen die Löhne beim Plantagenbetreiber dem ecuadorianischen Mindestlohn von 470 US-Dollar. Für Katherine Valle ist das ein immenser Fortschritt. »Ich habe früher weniger als die Hälfte verdient«, sagt sie. Auch die Arbeitsbedingungen haben sich verbessert.

Internationaler Druck auf deutsche Unternehmen

Die erfolgreiche Beschwerde war gut abgestimmt und ging an die richtige Adresse, denn die Otisgraf-Bananen wurden bis dahin an Supermärkte der Rewe-Kette geliefert. Obendrein ist die Marke Otisgraf mit rund einem Dutzend Plantagen in Ecuador und mehr als 1000 Mitarbeiter*innen zumindest partiell im Besitz der Anton Dürbeck GmbH aus Bad Homburg, einem deutschen Fruchtimport-Unternehmen. Eines von Dutzenden Beispielen, die zeigen, dass das oftmals als zu bürokratisch und komplex kritisierte Lieferkettengesetz funktioniert.

Das belegt auch eine Studie von Brot für die Welt, Misereor und ECCHR, dem europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte, die gerade erschienen ist. Sie zeigt weitere Beispiele auf, in denen dem Lieferkettengesetz positive Effekte für Betroffene in Ländern wie Honduras, Brasilien oder Pakistan bescheinigt werden.

Menschenrechtsverletzungen bestehen fort

Doch noch gibt es viel zu tun, wie ein in der Studie dokumentierter Fall aus Guatemala zeigt: Unter Verletzung von Menschen- und Arbeitsrechten gewonnenes Palmöl wurde an die Edeka-Supermarktkette geliefert. Daraufhin erfolgte die Beschwerde des ECCHR gemeinsam mit den Verbraucherschützern von Foodwatch beim Bundesamt Bafa. Die Supermarktkette reagierte und fragte beim Runden Tisch für Nachhaltiges Palmöl (RSPO), dass das Lieferunternehmen NaturAceites, genauer gesagt, deren Produktion zertifiziert, nach. Wenig später wurde der Firma NaturAceites die Zertifizierung entzogen. Für die betroffenen indigenen Gemeinden änderte sich allerdings nichts: nach wie vor werden ihre gewerkschaftlichen Organisations- und Landrechte verletzt. Für Edeka kein Grund, aktiv zu werden: Ein Gesprächsangebot an die betroffenen Gemeinden zog das Unternehmen kurzfristig zurück. Eine weitere Klage gegen die Supermarktkette ist anhängig.

Kein Einzelfall, wie der derzeitige Besuch von Yoni Rivas, Landwirt aus Honduras, in Deutschland zeigt. Mit Unterstützung der Entwicklungsorganisation Romero Initiative aus Münster präsentiert Rivas seine Beschwerde beim zuständigen Bafa. In der wird einem honduranischen Unternehmen vorgeworfen, Bauern ermordet zu haben, um an deren Land zu kommen. Das droht auch Rivas. Er hofft auf Hilfe aus Deutschland, um künftig nicht mehr um sein Leben fürchten zu müssen.

Beispiele, die zeigen, wie wichtig der Beschwerdemechanismus ist, so Armin Paasch von Misereor. »Fakt ist, dass Unternehmen Beschwerden endlich ernst nehmen und reagieren. Zugleich bleiben Defizite – im Gesetz und in der Umsetzung. Die EU-Lieferkettenrichtlinie würde einige dieser Defizite beheben.«

Kanzler Merz will Regelung abschaffen

Das sieht Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) deutlich anders. Er will sowohl das deutsche Gesetz als auch die EU-Richtlinie wieder abschaffen, was mit seinem Koalitionspartner SPD jedoch nicht zu machen ist. Auf EU-Ebene plädiert zudem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) dafür, die Richtlinie zu modifizieren. Offiziell, um Unternehmen, die in der augenblicklichen Stagnation schon genug Probleme hätten, Kosten zu ersparen und den Aufbau von Bürokratie zu vermeiden.

Eine Darstellung, die dem Wiener Wirtschaftsforscher Johannes Jäger und 90 seiner Kolleg*innen zufolge haltlos ist. Sie haben in einer öffentlichen Stellungnahme erklärt, dass die EU-Richtlinie nur geringe Kosten verursacht. »Die EU-Richtlinie setzt die richtigen Anreize zu einer zukunftsorientierten Spezialisierung«, heißt es in dem Positionspapier. Hinzu kommt, dass sowohl das EU-Recht als auch das Völkerrecht Rückschritte beim Schutz der Menschenrechte verbieten. Die drohen aber bei der Verwässerung oder gar der Abschaffung der EU-Richtlinie.

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