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Ivy League dahoam
Die Orientierung an der Exzellenz macht Wissenschaft zum Sportwettkampf
In ungeraden Jahren fehlen Sportfans die internationalen Großturniere wie Männerfußball-EM, -WM oder Olympia. Damit keine Langeweile aufkommt, meldete kürzlich die Presseabteilung des Wissenschaftsrats auf »Bluesky«, »dass sich 15 Unis Hoffnung machen dürfen, im Neuantragsverfahren als Exzellenzuniversität ausgewählt zu werden«. Die Fans sollten aufhorchen: »Der Wettbewerb um Spitzenforschung und internationale Sichtbarkeit«, so die Pressestelle, »ist spannender denn je!«
Und wäre das nicht genug, gibt es in der Wissenschaftsszene heiße Transfergerüchte. Die altehrwürdige Harvard University steht in der Schusslinie des Trump-Regimes und hat sich bislang Erpressungsversuchen nicht gebeugt. »Never waste a good crisis« scheint da das Motto des frischgebackene Kulturstaatsministers Wolfram Weimer zu sein. Der altertümliche Konservative mit imperialen Ambitionen unterbreitete Harvard das Angebot, einen Campus in Deutschland aufzumachen. Die genauen Konditionen: unklar. Aber von solchen Details sollte man sich die gute Laune nicht verderben lassen. Das findet jedenfalls die neue Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, Dorothee Bär (CSU). Im Interview mit der »Bild«-Zeitung bekennt sie, dass es im BMFTR – das man, so die ministeriale Social-Media-Abteilung, bitte BM Futur aussprechen soll – nur um »positive Themen« geht.
Blendende Aussichten, möchte man meinen, wären da nicht die ewigen Nörgler*innen der Wissenschaftsszene, zumeist im Mittelbau der Unis angesiedelt. Sie verschwenden unter Hashtags wie #ExitExzellenz wertvolle Lebenszeit auf Social Media, um überflüssige Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Was kostet es eigentlich, wenn 15 Hochschulen über ein Jahr lang vordringlich damit beschäftigt sind, sich um fünf neue Plätze im Exzellenzhimmel zu bewerben?
Ähnlich impertinent ist das Gemäkel am baulichen Zustand der Hochschulen. Wen schert es denn, dass etwa das Telefunken-Hochhaus, ein Großbau der Technischen Universität Berlin, wegen eines Wasserschadens seit über einem Jahr außer Betrieb ist? Das Exzellenzsiegel für die Berlin University Alliance gibt es trotzdem!
Dann ist da noch die nicht endende Debatte #IchbinHanna. Langfristig ausgebildete Wissenschaftler*innen aus dem eigenen System werden in die Wüste geschickt, weil das Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine Höchstbefristungsdauer festsetzt? Das macht doch nichts. Es sind Spitzenforscher*innen aus den USA auf dem Markt, die sicherlich darauf brennen, in Vechta oder Erlangen Geschichte auf Lehramt oder Einführungen in die organische Chemie zu unterrichten.
Und vollends provinziell: die Hinweise darauf, dass die Hochschulfinanzierung auf Landesebene zusammengestrichen wird – und Einstellungsstopps folgen. Es geht nicht um fiskalpolitische Details, sondern um international sichtbare Hervorragendheit. Wer Visionen hat, ist in der Hochschulpolitik genau richtig: Wir schaffen eine Ivy League dahoam – mit Raketenantrieb. Alexander Gallas
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