Frank-Walter Steinmeier: Bemerkenswerte Mahnung

Stefan Otto über die Mahnung des Bundespräsidenten zu Bildungsdefiziten

Jugendliche machen schon lange darauf aufmerksam, dass das Schulsystem in der Krise steckt. Jetzt hat sich der Bundespräsident in die Diskussion eingemischt.
Jugendliche machen schon lange darauf aufmerksam, dass das Schulsystem in der Krise steckt. Jetzt hat sich der Bundespräsident in die Diskussion eingemischt.

Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Defizite im Bildungssystem anspricht, ist das bemerkenswert – besonders auf dem Kongress von »Jugend forscht«. In seiner Rede lobte er nicht nur die herausragenden Leistungen Einzelner, sondern mahnte zugleich an, dass größere Anstrengungen unternommen werden müssten, damit junge Menschen ihr Potenzial ausschöpfen können. Er machte deutlich, dass der Bildungserfolg noch immer maßgeblich davon abhängt, wo Kinder aufwachsen, ob ihre Eltern studiert haben, wie hoch das Einkommen ist oder welche Sprache zu Hause gesprochen wird.

Zu der Überzeugung, dass Bildungschancen angeglichen werden sollten, sind mittlerweile auch viele Konservative gelangt. Zu diesem Sinneswandel haben sicherlich die internationalen Vergleichsstudien beigetragen, in denen deutsche Schüler nur noch mittelmäßig abschneiden. Nach wie vor gibt es Kinder von Akademikern, die hervorragend in der Schule sind, aber ebenso viele, die abgehängt zu werden drohen.

Noch vor einigen Jahren war der Diskurs ideologisch aufgeladen. Bildungspolitiker stritten darüber, ob Schule darauf ausgerichtet sein sollte, alle zu fördern, oder ob dies dazu führen würde, dass die Leistungsstärkeren unterfordert werden. Überwunden wurde diese Diskussion durch eine Pädagogik, die auf die individuelle Entwicklung jedes einzelnen Kindes setzt. Wer besondere Unterstützung braucht, soll sie bekommen; wer mehr Anreize braucht, ebenfalls. So lautet zumindest der inzwischen weit verbreitete theoretische Ansatz.

In der Praxis funktioniert das allerdings nicht immer. Manche Schulen wären bereits froh, wenn die Toiletten nicht mehr stinken oder weniger Unterricht wegen des Lehrkräftemangels ausfällt. An solchen Missständen zeigt sich, wie sehr die Bildung in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurde. Die demokratischen Parteien versprechen zwar Besserung, doch vieles wird von den Investitionen abhängen, die die Regierungen für Sanierungen und Innovationen aufbringen – und davon, ob Bund, Länder und Kommunen besser zusammenarbeiten.

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