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Berlin: Frau Smolarek verliert in der ersten Instanz
Mieterin will trotz Niederlage weiter gegen die Eigenbedarfskündigung kämpfen
Als die Richterin Kerstin Preuß in einem Saal des Amtsgerichts Charlottenburg ihre Entscheidung verkündete, war sie kaum zu verstehen. Ein Polizeifahrzeug fuhr mit Blaulicht und lauter Sirene am Gerichtsgebäude vorbei. Was die Richterin verkündete: Monika Smolarek soll bis zum 30. November 2025 ihre Wohnung in Charlottenburg räumen und auch die Gerichtskosten tragen. »Ich war wie vor den Kopf geschlagen und konnte zunächst gar nicht aufstehen«, so die erste Reaktion der Mieterin. Dann bat sie die Richterin, ihr kurzes Urteil noch einmal zu wiederholen, weil diese durch den Verkehrslärm stellenweise nicht zu verstehen gewesen war. Doch die Richterin weigerte sich: Sie habe dafür keine Zeit. Schließlich müsse sie gleich noch weitere Entscheidungen verkünden. Entscheidungen wie am Fließband, die doch gravierende Auswirkungen auf das Leben von Menschen haben.
Monika Smolarek soll mit ihrem Mann und ihrer Tochter ihr Zuhause verlieren, in dem die Familie seit über zehn Jahren lebt. Genau das wollte sie verhindern, als sie vor einigen Monaten an die Öffentlichkeit ging, weil sie eine Eigenbedarfskündigung erhalten hatte. Sie wollte sich nicht nur juristisch wehren. Sie startete eine Petition, die von über 13 300 Menschen unterzeichnet wurde. Es sind viele Menschen darunter, die wie Smolarek Angst haben, ihr Zuhause zu verlieren, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden.
»Ich kämpfe nicht nur für meine Familie, sondern für alle Mieter*innen, die durch missbräuchliche Kündigungen ihr Zuhause verlieren sollen. Zu viele Vermieter nutzen Eigenbedarf als Trick, um Wohnungen teurer weiterzuvermieten, zu modernisieren oder gewinnbringend zu verkaufen«, heißt es in der Petition.
Mittlerweile gibt es Vernetzungen von Betroffen, zum Beispiel die Berliner Initiative »Eigenbedarf kennt keine Kündigung«. Sie hat Monika Smolarek etwa mit solidarischer Begleitung bei den drei Gerichtsprozessen in der Eigenbedarfsklage unterstützt. Der Saal war auch am Dienstag beim kurzen Verkündungstermin voll. Die Besucher*innen machten Smolarek Mut, nach der Niederlage in der ersten Instanz weiterzumachen. Sie wird Berufung einlegen.
Smolareks Aussichten, den Prozess in der nächsten Instanz noch zu gewinnen, sind so schlecht nicht. Schließlich hat sich der Wohnungseigentümer in den drei Prozesstagen in Widersprüche verwickelt. So musste er unter anderem auf Nachfragen von Smolareks Anwältin Carola Handwerg einräumen, Miteigentümer einer weiteren Immobilie in Charlottenburg zu sein, was er vorher bestritten hatte.
»Nach diesen vielen Widersprüchen müsste meine Mandantin den Prozess eigentlich gewinnen«, hatte Anwältin Carola Handwerg schon am dritten Prozesstag gesagt. Die Anwältin hat konkrete Kritik an der Entscheidung. »Das Urteil zeigt, dass sich das Gericht offensichtlich nicht mit dem Härteeinwand auseinandergesetzt hat. Die Rechtsprechung des BGH verlangt, dass das Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten einholt, wenn die Mieterin unter Vorlage eines Attests nachweist, dass ein Verlust der Wohnung zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands führt«, so Handwerg. Damit wird sich wohl die nächste Instanz befassen müssen.
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