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Wissenschaft in den USA: Im Namen der Transparenz

Wissenschaft in den USA soll unter Aufsicht gestellt werden

Proteste gegen die Kürzungen im Wissenschaftsbereich an der UCLA in Kalifornien
Proteste gegen die Kürzungen im Wissenschaftsbereich an der UCLA in Kalifornien

Als Freundin der Wissenschaft hat sich die Trump-Regierung bislang nicht hervorgetan. Der Wissenschaftsbetrieb in den USA wird seit dem Amtsantritt Donald Trumps zurückgeworfen durch massive Kürzungen, beispielsweise in der Klima- und Gesundheitsforschung oder bei Verwendung bestimmter verbotener Begriffe wie »Gender«. Der auch als Impfgegner bekannte Gesundheitsminister Robert Kennedy Jr. hat kein Problem damit, sich auf mittlerweile längst widerlegte Studien über einen angeblichen Zusammenhang von Autismus und Impfungen zu beziehen. Falsch und nicht auffindbar war ein Teil der wissenschaftlichen Quellen eines jüngst veröffentlichten Berichts des Weißen Hauses zur Gesundheit von Kindern mit dem Titel »Make Our Children Healthy Again«, wie das Online-Magazin Notus berichtete. Das Weiße Haus spielte die Mängel als Formatierungs- und Zitierfehler herunter.

Ausgerechnet aus Trumps Feder stammt ein Dekret mit dem Titel »Goldstandard-Wissenschaft wiederherstellen« vom 23. Mai. Darin beruft sich der Präsident auf Probleme, die auch innerhalb des Wissenschaftsbetriebs diskutiert werden. Dazu zählen die »Reproduzierbarkeitskrise« und Fälschungen von Daten. Eine dem Goldstandard entsprechende Wissenschaft müsse unter anderem reproduzierbare Ergebnisse liefern und transparent sein, Fehler und Unsicherheiten kommunizieren und frei von Interessenkonflikten sein. Forderungen, die auch aus der Open-Science-Bewegung – die für öffentlich zugängliche, transparente Wissenschaft eintritt – stammen könnten, wie eine Gruppe renommierter Forscher*innen, darunter Medizin-Nobelpreisträger Victor Ambros und Klimaforscher Michael Mann, im »Guardian« darlegen. »Wir alle sollten in der Lage sein, die Investitionen einer Verwaltung in die Verbesserung der Offenheit, Integrität und Reproduzierbarkeit der Forschung zu würdigen. Aber mit diesem Dekret können wir das nicht«, so die Autor*innen.

Denn, wie auch in einem inzwischen von mehr als 6300 Wissenschaftler*innen unterzeichneten offenen Brief beklagt, soll das Wissenschaftssystem nun per Dekret unter die Kontrolle politischer Beauftragter gestellt werden. Das Dekret sei eine Fortführung des bereits laufenden Angriffs auf die Wissenschaft, heißt es in dem Brief. Wissenschaftliche Begriffe würden »gekapert« und Ideen verdreht.

Die Verfasser*innen des offenen Briefes machen auch deutlich, wer sich im Weißen Haus aufschwingt, von einem Goldstandard der Wissenschaft zu sprechen. »Die Anordnung kommt von einer Regierung, die bereits die Finanzierung für Forschungsbereiche gestrichen hat, mit denen sie nicht einverstanden ist, die trotz weit verbreiteter Beweise Fehlinformationen über Impfstoffe verbreitet hat, die über die Auswirkungen des Klimawandels gelogen hat und die in ihrem eigenen Dekret Geschlecht fälschlicherweise als binär definiert hat, obwohl die Biologie beweist, dass es dies nicht ist.«

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Auch die renommierten Wissenschaftspublikationen »Nature« und »Science« befassen sich mit dem Dekret aus dem Weißen Haus und seinen möglichen Folgen. Bereits während Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 hätten Wissenschaftler*innen über politische Einflussnahme auf ihre Arbeit berichtet. Dies betraf insbesondere Beschäftigte der Umweltbehörde EPA. Unter Trumps Nachfolger Joe Biden waren dann Maßnahmen ergriffen worden, um die Unabhängigkeit von Forschenden bei der EPA und anderen Behörden zu stärken, heißt es in einem »Nature«-Artikel. In seinem jüngsten Dekret zum »Goldstandard« weist Trump die Behörden nun an, diese von Biden verfügten Maßnahmen rückgängig zu machen.

Die Angst vor von der Politik eingesetzten Aufsehern über den Wissenschaftsbetrieb geht damit einher, dass vage Formulierungen Tür und Tor für willkürliche Bestrafungen von Wissenschaftler*innen öffnen. Denn die Forderung, »Unsicherheiten transparent zu kommunizieren und zu dokumentieren«, lässt großen Interpretationsspielraum.

Trump beklagt in seinem Dekret eine Glaubwürdigkeitskrise der Wissenschaft, zu der die Politik der Vorgängerregierung beigetragen habe. Laut »Nature« gaben jedoch 76 Prozent der Bevölkerung in Umfragen an, der Wissenschaft zu vertrauen. Robert F. Kennedy attackiert unterdessen renommierte medizinische Zeitschriften. »Wir hören wahrscheinlich auf, in ›The Lancet‹, ›New England Journal of Medicine‹, ›JAMA‹ und anderen Fachzeitschriften zu veröffentlichen, weil sie alle korrupt sind«, zitiert das »Ärzteblatt« den Politiker aus einem Podcast.

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