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Was 600 Euro bedeuten
Warum die Debatte um die Diätenerhöhung mehr über unsere Gesellschaft verrät als über die Politik
Wenn eine alleinerziehende Mutter im Monat 600 Euro mehr hätte, dann würde für sie ein neues Leben anbrechen – eines, das für sie aus finanzieller Sicht unbeschwerter wäre. Um ungefähr 600 Euro sollen die Diäten im Bundestag nun angehoben werden, so sieht es ein Gesetz vor, über das die Parlamentarier selbst entscheiden. Es ist nicht mehr als eine normale Anpassung, wie sie Rentner beispielsweise auch bekommen. Künftig werden Abgeordnete allerdings knapp 12 000 Euro brutto erhalten.
Für Parlamentarier hat diese Summe selbstredend einen völlig anderen Stellenwert als für die Alleinerziehende. 600 Euro sind für Bundestags-Abgeordnete nicht existenziell – ja sogar verzichtbar, wie nicht nur Heidi Reichinnek von der Linken findet. Sie kündigte an, das Geld nicht anzunehmen, sondern lieber zu spenden.
Wie unterschiedlich die Lebenswelten sind, zeigt sich immer wieder im Wahlkampf, wenn Abgeordnete plötzlich gezielt die Nähe zu Menschen mit geringen Einkommen suchen. Diese Begegnungen zeugen dann oft von Entfremdung.
Nun aber zu fordern, dass Abgeordnete ein Leben am Rande der Armut führen sollten, während auf der anderen Seite immer mehr Einkommensmillionäre im Luxus schwelgen, wäre auch wenig hilfreich. Schließlich vertreten Abgeordnete formell auch diese finanziell privilegierte Schicht, die denkbar einflussreich ist. Die Interessenslagen sind oftmals entgegengesetzt.
Tatsächlich zersplittert die Parteienlandschaft zusehends, und die einzelnen Fraktionen betreiben auffallend oft nur eine Politik für ihr Klientel. Dabei wäre es dringend notwendig, Schritte einzuleiten, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern, die zu immer neuen gesellschaftlichen Verwerfungen führt. Das wäre sinnvoller, als immer nur mehr Wohlstand zu fordern, wie es die aktuelle Bundesregierung tut – Wohlstand, der gewiss nicht bei allen ankommt.
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