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Gewaltsame Verschleppungen sind an der Tagesordnung

Zivile Organisationen kritisieren den »Pakt der Straflosigkeit«

  • Kathrin Zeiske, Ciudad Juárez
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegen das Vergessen: Aus Protest gegen die Regierung erinnert eine Demonstrantin in Jalisco an die Opfer von Teuchitlán.
Gegen das Vergessen: Aus Protest gegen die Regierung erinnert eine Demonstrantin in Jalisco an die Opfer von Teuchitlán.

Im Jahr 2024 wurden laut offiziellen Zahlen über 13 500 Personen in Mexiko gewaltsam verschleppt. Allein im April 2025 waren es 1050 Menschen. Das Komitee gegen das Verschwindenlassen (CED) der Vereinten Nationen spricht von einer landesweiten Krise. Der mexikanische Staat würde weder die Aufklärung der Verbrechen vorantreiben noch verhindern, dass weitere Personen verschleppt werden. Präsidentin Claudia Sheinbaum hat einen Einsatz des CED in Mexiko abgelehnt.

Das zivilgesellschaftliche Kollektiv »Suchende Mütter von Jalisco« hatte im März Krematorien auf der Ranch Izaguirre in Teuchitlán entdeckt und öffentlich gemacht, in denen das Kartell Neue Generation Jalisco sich seit 2018 der Leichen Hunderter Ermordeter entledigte. 2024 hatte es einen Militäreinsatz auf dem Gelände gegeben, bei dem aber angeblich nur eine Leiche und zwei lebende Verschleppte geborgen wurden. Hinter den gewaltsamen Verschleppungen stehen die im gesamten Land operierenden und sich gegenseitig bekämpfenden Kartelle, die Menschen zwangsrekrutieren, in den Menschen- und Frauenhandel entführen, umbringen und in Massengräbern verscharren.

Nationale Suchkomission steht in der Kritik

Präsidentin Sheinbaum sah sich gezwungen, mit Gesetzesreformen zu reagieren, um den Straftatbestand gewaltsamer Verschleppungen in den Fokus der Ermittlungen zu stellen. Im Rahmen der Reformen rief sie diesen Monat Familienangehörige zum Dialog auf, was sowohl auf Zuspruch als auch auf kategorische Ablehnung von Kollektiven stieß. Diese fordern den Rücktritt der Vorsitzenden der Nationalen Suchkommission, Teresa Guadalupe Reyes, und prangern die Ineffizienz der Kommission sowie die Unterwanderung staatlicher Behörden durch die Kartelle an, wegen derer sogar von Verstrickungen derselben in Verschleppungen auszugehen sei.

Die Kollektive kritisierten, dass es nicht an schärferen Gesetzen, sondern eine Einhaltung der geltenden mangele und dass nicht die Suche nach neuen Massengräbern, sondern die Bergung und Identifizierung der Körper an den bekannten Orten sowie in den Leichenschauhäusern ausstehe. Sie fordern aber auch staatlichen Schutz für sich selbst und kritisieren unter diesem Aspekt eine nationale Sammlung biometrischer Daten von Verschwundenen. Alleine im April wurden vier Angehörige der Suchbrigaden ermordet.

Angehörige werfen Sheinbaum Unkenntnis vor

In einem offenen Brief an Claudia Sheinbaum vom 18. Mai brachten 150 Familienangehörige und Kollektive ihre Sorge über die augenscheinliche »Unkenntnis der Materie«, aber auch gegenüber »der für die Suche schon vorhandenen Regierungsbehörden« angesichts der vorgeschlagenen Gesetzesreformen zum Ausdruck. Es fehle der Wille, »den Pakt der Straflosigkeit« mit den Kartellen zu durchbrechen, weswegen staatliche Ermittler eine Suche eher verhinderten, anstatt sie voranzutreiben. Die Feierlichkeiten des Muttertags nutzten diesen Monat Dutzende von zivilgesellschaftlichen Kollektiven von Müttern Verschwundener, um gegen die Situation der gewaltsamen Verschleppungen im Land zu protestieren.

Auch Umweltaktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen sind in Mexiko von gewaltsamen Verschleppungen betroffen. So wie der Anwalt Ricardo Lagunes und der Gemeindevorsteher Antonio Diaz, die im Januar 2024 von Angehörigen des Kartells Neue Generation Jalisco verschleppt wurden. Dahinter steht ein jahrzehntelanger Konflikt indigener Gemeinden mit Minenprojekten in Michoacan, die vom Stahlriesen Ternium betrieben werden. Viele staatliche und unternehmerische Energie-, Tourismus- und Bergbauprojekte werden in Mexiko von den Kartellen gegen den Erhalt von Schutzgeldern protegiert.

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