Handball: Der SC Magdeburg will seine letzte Titel-Chance nutzen

Im Finalturnier der Champions League will der SCM seine lange Siegesserie fortsetzen

  • Christoph Dach
  • Lesedauer: 5 Min.
Nach der Enttäuschung um die am letzten Spieltag verpasste Meisterschaft will Trainer Bennet Wiegert mit seinen Handballern vom SCM die Königsklasse gewinnen.
Nach der Enttäuschung um die am letzten Spieltag verpasste Meisterschaft will Trainer Bennet Wiegert mit seinen Handballern vom SCM die Königsklasse gewinnen.

Wenn es Sommer wird und der Bart des Trainers wächst, ist das ein gutes Signal für alle, die es mit dem SC Magdeburg halten. Bennet Wiegert hat nämlich die Angewohnheit, sich nicht zu rasieren, solange sein Team gewinnt. Und das tut es mittlerweile seit Wochen in beeindruckender Manier: 18 Spiele in Serie sind die Magdeburger Handballer bislang ohne Niederlage geblieben, 14 Siege haben sie zuletzt in der Bundesliga eingefahren, trotz vieler Rückschläge und einer langen Verletztenliste. »Die Saison war alles andere als normal und hat an jedem gezehrt«, sagt Wiegert: »Was meine Mannschaft an Widerstandsfähigkeit geleistet hat, ist unglaublich.«

Letzte Ausfahrt Köln

Bis zum Schluss übte der SCM im Fernduell um die Deutsche Meisterschaft maximalen Druck auf die Füchse Berlin aus, bis zum Schluss blieben die Berliner cool, erfüllten ihrerseits alle Pflichtaufgaben und holten am vergangenen Wochenende den ersten Meistertitel in ihrer Vereinsgeschichte. Somit blicken die erfolgsverwöhnten Magdeburger kurz vor der ersehnten Sommerpause auf ein ungewohntes Szenario: eine Saison ohne Titel. Das gab es zuletzt vor fünf Jahren. Eine Ausfahrt existiert allerdings noch für den Traditionsklub aus Sachsen-Anhalt, eine sehr schöne und erfolgversprechende: Köln. Dort findet an diesem Wochenende das Finalturnier der Champions League statt.

Die Magdeburger sind längst so etwas wie ein Stammgast beim alljährlichen Höhepunkt im europäischen Vereins-Handball. Zum dritten Mal in Folge hat sich Wiegerts Team dafür qualifiziert, obwohl es in der Gruppenphase zunächst gar nicht nach den Vorstellungen des Trainers lief. Zwischenzeitlich drohte der SCM gar den Sprung in die K.-o.-Runde zu verpassen. Im Viertelfinale gegen Veszprem, einen der großen Titelfavoriten, zeigten die Magdeburger dann aber wieder ihr gewohntes Gesicht: das einer abgezockten, schlachterprobten und verschworenen Mannschaft.

Von seiner besten Seite muss sich der SCM auch am Sonnabend zeigen, wenn gegen den FC Barcelona der zweite Teilnehmer für das Endspiel am Sonntag ermittelt wird. Zuvor treffen die Füchse Berlin im ersten Halbfinale auf HBS Nantes – nicht ausgeschlossen also, dass es zu einem deutschen Champions-League-Finale kommt.

Mit voller Kapelle

Wiegert will aber noch gar nicht allzu weit denken. »Unser Ziel ist es erst mal, für das Finale infrage zu kommen – und das ist gegen eine Mannschaft wie Barcelona nicht selbstverständlich«, weiß der Magdeburger Trainer. Dass einer seiner besten Spieler wohl nicht wird mitwirken können, verkompliziert die Lage zusätzlich: Gisli Kristjansson hat sich im Endspurt der Bundesliga mal wieder eine Verletzung an der Schulter zugezogen, ein Einsatz des isländischen Rückraumspielers erscheint unter normalen Umständen ausgeschlossen. Andererseits ist Kristjansson kein normaler Handballer und kein normaler Typ. Beim Champions-League-Triumph des SC Magdeburg vor zwei Jahren kugelte er sich im Halbfinale die Schulter aus und führte sein Team am Tag danach dennoch zum Titel, später wurde er zum wertvollsten Spieler des Finalturniers gewählt. Der Gegner des SCM im besagten Halbfinale war damals übrigens der FC Barcelona.

»Ich kann Stand heute nicht mit Gisli planen«, sagte Wiegert am Dienstag, auf die wichtige Personalie angesprochen. Mitreisen wird der 25-jährige Kristjansson trotzdem. »Wir nehmen alles mit, was wir haben und reisen mit voller Kapelle nach Köln«, erzählte der Trainer und ergänzte: »Jeder Spieler im Kader hat es verdient, beim Saisonfinale dabei zu sein.«

Um gut vorbereitet antreten und seinen Mannen in kritischen Situationen taktische Lösungen an die Hand geben zu können, hat der Coach den Pfingstmontag darauf verwendet, den Gegner akribisch auf Stärken und Schwächen abzuklopfen. Die Sache gestaltete sich zwar zunächst ein wenig schwierig, weil das Video von Barcelonas jüngstem Spiel, dem spanischen Pokalfinale, auf sich warten ließ. Als Wiegert die Aufnahmen vom deutlichen 34:25-Sieg gegen León dann schließlich hatte, stürzte er sich wie gewohnt in die taktische Analyse.

Eine letzte Nachtschicht

Es mag absurd klingen, aber wenn es am Sonnabend in Köln gut läuft für die Magdeburger, wartet am Ende einer langen Saison noch eine Nachtschicht auf Wiegert: Arbeit an der Finaltaktik. Für den Fall eines Endspieleinzugs hat der Trainer selbstverständlich zuvor schon beide potenziellen Endspielgegner unter die Lupe genommen – den aktuellen französischen Vizemeister aus Nantes und den alten Lieblingsrivalen aus der Bundesliga, die Füchse Berlin. Jene Mannschaft also, die dem SCM vor wenigen Tagen bereits einen großen Titel vor der Nase weggeschnappt hat.

Ob es gegenüber den Berlinern Revanche-Gedanken im Hinterkopf gebe, ist Wiegert in der Medienrunde am Dienstag gefragt worden. »Wofür soll ich mich denn revanchieren?«, fragte der SCM-Coach zurück. »Ich kann den Füchsen nur fair gratulieren und anerkennen, dass sie eine herausragende Saison gespielt haben.« Wer den 43-Jährigen kennt, der weiß aber auch: Die Sache mit der verpassten Meisterschaft wurmt den ehrgeizigen Trainer natürlich noch. Mit einem Erfolg in Köln wäre der Fall aber sicher zu den Akten gelegt.

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