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Kreiswerke Barnim auf dem Holzweg

Umweltverbände warnen den Landkreis vor dem Kauf eines Holzheizkraftwerks in Eberswalde

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, doch so wertvoll, dass Umweltschützer ihn nicht einfach verbrannt sehen wollen.
Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, doch so wertvoll, dass Umweltschützer ihn nicht einfach verbrannt sehen wollen.

Mit 165 Beschäftigten kümmern sich die kommunalen Kreiswerke Barnim und ihre Tochtergesellschaften um Müllentsorgung, Straßenreinigung und Winterdienst sowie um Ladesäulen für Elektroautos. Sie betreiben mehrere Recyclinghöfe, erzeugen Solarstrom, bauten ein neues Kreisarchiv in Eberswalde und eine neue Rettungswache in Panketal.

Nun wollen die Kreiswerke das 2006 in Eberswalde gebaute Holzheizkraftwerk (Hokawe) aufkaufen und das 2009 hinzugefügte Werk für Holzpellets gleich mit. Es war kein Aprilscherz, als die Kreiswerke am 1. April über die damals noch laufenden Verhandlungen informierten. Vollzogen werden soll die Übernahme durch den Erwerb der Gesellschafteranteile der privaten »1Heiz Energie GmbH«. Damit sie den Preis dafür bezahlen können, wollen die Kreiswerke einen Kredit aufnehmen – und der Landkreis Barnim soll das ermöglichen, indem er eine Ausfallbürgschaft in Höhe von zwei Millionen Euro leistet.

Der Kreistag muss noch seinen Segen geben. Das Thema steht auf der Tagesordnung der Sitzung am Mittwochabend. »Der Kreistag wird es definitiv mehrheitlich annehmen«, erwartet Linksfraktionschef Lutz Kupitz. »Und auch wir haben uns entschlossen, dem zuzustimmen.« 2012 ist dieses Heizkraftwerk dem Landkreis schon einmal angeboten worden. Damals stimmte die Linksfraktion noch dagegen. Es war fraglich, woher das Holz als Rohstoff kommen sollte. Der Landesforst war als Lieferant abgesprungen. Nun aber stünden mehrere Lieferanten von Restholz zur Verfügung, sagt Kupitz. Die Wälder sollten selbstverständlich nicht abgeholzt werden, versichert der Kommunalpolitiker.

Das Holzpelletwerk soll nach der Übernahme weiterverkauft, das Heizkraftwerk jedoch so umgebaut werden, dass mehrere Wohngebiete unter anderem der Eberswalder Wohnungsgenossenschaft 1893 an die Fernwärmeversorgung angeschlossen werden können. Bislang erzeugt das Heizkraftwerk zwar auch Wärme, anders als sein Name nahelegt aber vor allem Strom, mit dem bis zu 40 000 Haushalte versorgt werden können.

»Wir müssen uns von dieser Steinzeittechnologie lösen, um unser Überleben auf diesem Planeten zu sichern.«

Jana Ballenthien Robin Wood

»Wir haben mit dem Werk exzellente Chancen, eine nachhaltige Strom- und in einem zweiten Schritt eine nachhaltige Wärmeversorgung für alle Eberswalder*innen zu fairen Preisen zu ermöglichen«, sagt Kreiswerke-Geschäftsführer Christian Mehnert.

Ebenfalls als Chance begreift Steffi Schneemilch das Vorhaben. Die Fraktionskollegin von Lutz Kupitz sagt: »Mit dem Erwerb des Hokawe durch die kommunalen Kreiswerke haben wir die Chance, dass bis zu 9000 Haushalte – also Mieterinnen und Mieter – sich unabhängig von fossilen Brennstoffen machen und damit für diesen Teil nicht mehr globalen Playern in Versorgung und Preisgestaltung ausgeliefert sind.« Bundesrechtlich gelte das Verbrennen von Holz als nachhaltig, erklärt Schneemilch. Ein wichtiges Argument für den Kauf sei die Grundlastfähigkeit des Kraftwerks. Es sorgt auch dann für Energie, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Technisch möglich wären auch andere Energiequellen, fügt Schneemilch hinzu. Vielleicht lasse das Kritiker der Holzverbrennung aufhorchen, »auch wenn erst mal Holz im Fokus steht«.

Zu den Kritikern gehört Carsten Preuß, Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz. »Wir müssen unsere Wälder schützen, nicht verheizen«, sagt er. Um CO2 dauerhaft zu binden, müsse der wertvolle Rohstoff Holz für langlebige Produkte und möglichst schonend genutzt werden. Preuß, wiewohl parteilos, hatte zuletzt 2019 noch einmal für einige Monate als Nachrücker der Linksfraktion im Landtag angehört. Er appelliert jetzt an die Kreistagsabgeordneten, »auf die Wissenschaft zu hören und diese massive Fehlinvestition zu verhindern«. Denn Holzenergie in dieser Größenordnung sei nicht klimaneutral.

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Für die Wissenschaft hat sich Pierre Ibisch zu Wort gemeldet. »Die industrielle Holzverbrennung ist nicht kompatibel mit den Zielen eines nach Nachhaltigkeit strebenden Landkreises«, erklärt der Professor von der Eberswalder Hochschule für nachhaltige Entwicklung. »Die Projektidee mag kurzfristig ökonomisch interessant sein, aus ökologischer Sicht ist sie zu verurteilen.« Ibisch zufolge hat das Werk schon zu einem intensiveren Holzeinschlag auch in wertvollen und geschützten Waldgebieten geführt.

»Dem Wald geht es ohnehin nicht gut«, erinnert Karl-Heinz Marschka, Vizelandeschef des Naturschutzbundes. Der Waldzustandsbericht habe das gezeigt. »Holzheizkraftwerke verschärfen die Situation, indem sie die Nachfrage nach regionalem Holz befeuern.«

Jana Ballenthien von der Umweltorganisation Robin Wood fügt hinzu: »Wir müssen uns von dieser Steinzeittechnologie lösen, um unser Überleben auf diesem Planeten zu sichern.«

Linksfraktionschef Kupitz sind die Argumente bekannt. Es sei eine Abwägungssache, sagt er. Finanziell geradestehen müsste der Landkreis infolge einer Ausfallbürgschaft übrigens lediglich, wenn die Kreiswerke die Raten des zehn oder 20 Jahre laufenden Kredits irgendwann nicht zahlen könnten. Doch davon sei nicht auszugehen.

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