CSD in Eberswalde: AfD stellt sich quer gegen queer

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ruft auf zur Beteiligung am CSD in Eberswalde

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Regenbogenfahne sollte, wie hier in einem Straßencafé in Rheinsberg, eigentlich kein Problem sein.
Eine Regenbogenfahne sollte, wie hier in einem Straßencafé in Rheinsberg, eigentlich kein Problem sein.

Nachdem am Sonntag offensichtlich rechte Täter die Kundgebung »Bad Freienwalde ist bunt« attackiert und mindestens drei Menschen verletzt hatten, fand der AfD-Landesvorsitzende René Springer Worte, an denen nichts auszusetzen war. »Gewalt ist niemals zu rechtfertigen«, sagte er. Der Vorfall müsse aufgeklärt werden. »Wer Menschen angreift, weil sie ihre Meinung öffentlich äußern, stellt sich außerhalb des demokratischen Grundkonsenses.« Brandenburg dürfe kein Ort sein, »an dem Gewalt Teil der politischen Auseinandersetzung wird«.

Doch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) sagt nun dazu: »Die Reaktion von René Springer, der eine lückenlose Aufklärung und rasche Ermittlung der Täter forderte, kann bestenfalls als scheinheilig eingestuft werden.« Denn seine »Parteikollegen«, die Eberswalder Stadtverordneten Maximilian Fritsche und David Streich, haben der VVN-BdA zufolge für den 21. Juni »unter dem aufstachelnden Motto ›Keine Frühsexualisierung von Kindern und gegen die Indoktrination‹ einen Stand angemeldet« – auf dem Marktplatz von Eberswalde und damit an der Route des Christopher Street Day (CSD) an diesem Samstag.

Der VVN-BdA-Kreisverband Uckermark-Barnim urteilt: »Wer den CSD als Veranstaltung zur Sexualisierung der Gesellschaft abtut, hat nicht verstanden, dass es um die Wahrung von Menschenrechten geht.«

Der CSD von Eberswalde soll um 13 Uhr am Bahnhof starten und zum Weidendamm führen. Student Maximilian Armonies, der die Idee hatte, rechnet mit 1000 bis 1500 Teilnehmern, wenn es gut laufe mit 2000. So hat er es in einem Interview dem Sender RBB gesagt. Der Angriff auf die Vielfalt in Bad Freienwalde hat Armonies nicht überrascht. »Wir haben im letzten Jahr gesehen, dass unglaublich viele CSDs überfallen wurden«, erinnert er.

Die VVN-BdA ruft dazu auf, um 13 Uhr zum Bahnhofsvorplatz zu kommen. »Im Rahmen des CSD Eberswalde wollen wir zeigen, dass wir eine starke Gemeinschaft sind, die für Menschenrechte und damit auch für die Rechte von Minderheiten eintritt und Farbe bekennt!«

Der AfD-Stadtverordnete Fritsche erklärt auf nd-Nachfrage, er habe mit Streich ein Sommerfest seiner Partei auf dem Marktplatz angemeldet. Zu dem vermeintlichen Infostand »gegen Frühsexualisierung und Indoktrination« sagt er, dies sei eine Falschbehauptung. Auf seinem Facebook-Profil weist Fritsche auch nur auf das genannte Sommerfest des AfD-Kreisverbands Barnim hin, das just am 21. Juni von 15 bis 20 Uhr auf dem Marktplatz gefeiert werden soll.

Als Redner angekündigt sind der AfD-Bundestagsabgeordnete Götz Frömming, die Landtagsabgeordneten Volker Nothing, Lena Kotré und Roman Kuffert, der Stadtverordnete Matthäus Mikolaszek – und der Landesvorsitzende René Springer. Dazu tritt laut Einladung – nicht zum ersten Mal bei einer AfD-Veranstaltung – der Deutschrock-Musiker Stefan Krähe auf.

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Wie der Stadtverordnete Fritsche über Regenbogenflaggen und Transpersonen denkt, darüber lässt er in Videos keinen Zweifel aufkommen, die auf seiner Facebook-Seite hochgeladen sind. »Es gibt nur zwei Geschlechter«, behauptet er felsenfest überzeugt, obwohl das selbst streng biologisch betrachtet keineswegs so eindeutig ist. Seinen Zuschauern erzählt Fritsche: »Deine linke Lehrerin verteilt Regenbogensticker. Wir verteilen gesunden Menschenverstand.«

Zwei Tage bevor die Stadtverordnetenversammlung am 5. Juni einen Antrag der AfD auf der Tagesordnung hatte, Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden zu verbieten, begründete Fritsche diesen Vorstoß in einem Video mit dem Satz: »Schwarz-Rot-Gold ist bunt genug.« Dabei beteuerte er: »Wir sind nicht gegen queere Leute, gegen irgendwelche Andersdenkende.« Aber die Regenbogenfahne sei ein Symbol von Hass und Ausgrenzung.

Von einem jungen Mann, der in den Videos zusammen mit Fritsche auftritt, kommen Aussagen wie: »Schätze den Regenbogen als ein Zeichen Gottes und nicht einer geistigen Krankheit.« Oder: »Nur Mann und Frau sind gottgewollt. Die linken Ideologen wollen unser Land zerstören, die Geburtenrate senken.« Und: »Sie wollen, dass du kein Mann mehr bist, sie wollen, dass du ein pinkes Einhorn bist. Darum stehe auf, kämpfe für dein Land.«

Am Samstag wird deutschlandweit der Tag der offenen Gesellschaft gefeiert – in Spremberg in der Lausitz mit einem Sommerfest von 14 bis 18 Uhr auf dem Mehrgenerationenspielplatz im Stadtpark. Das Bündnis Unteilbar Spremberg lädt dazu ein. Vor zwei Jahren war auf eine Regenbogenfahne, die in Spremberg an der Fassade der evangelischen Kirche St. Michael wehte, ein Brandsatz geschleudert worden. Am Vorabend lief in der Kirche ein Dokumentarfilm über lesbische Liebe im KZ Ravensbrück.

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