US-Reaktionen auf Militärschlag: Viel Zustimmung, viele Bedenken

In den USA gehen die Meinungen über die Angriffe gegen den Iran weit auseinander

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf diesem von der US-Luftwaffe am 2. Mai 2023 veröffentlichten undatierten Foto sehen sich Luftwaffenangehörige auf dem Luftwaffenstützpunkt Whiteman in Missouri einen Bunkerbrecher GBU-57 (Massive Ordnance Penetrator) an.
Auf diesem von der US-Luftwaffe am 2. Mai 2023 veröffentlichten undatierten Foto sehen sich Luftwaffenangehörige auf dem Luftwaffenstützpunkt Whiteman in Missouri einen Bunkerbrecher GBU-57 (Massive Ordnance Penetrator) an.

Von Präsident Donald Trump wurde in einer vierminütigen Rede aus dem Weißen Haus den Iranern »Frieden oder Tragödie« am Samstagabend versprochen. Den US-Generälen erklärte er seinen Dank für die Luftschläge gegen das iranische Atomprogramm. Den US-amerikanischen Landsleuten und dem lieben Gott erklärte Trump seine aufrichtige Liebe: »God, we love you«. Hinter Trumps Kopf schwebten drei andere Köpfe, keiner davon gehört einem General, sondern alle gehören Politikern der Republikaner und der MAGA-Bewegung – Make America Great Again. Denn, dass die Spitzen der Luftwaffe und Armee Trumps Befehle ausführen, steht außer Zweifel. Dass die Trump Ur-Anhänger aus der MAGA-Bewegung ihre Gefolgschaft künftig beibehalten, ist erheblich ungewisser.

Die große Mehrheit der US-Amerikaner denkt vorwärts, das Spekulative ist den Wenigsten fremd. So war es nach dem 11. September, so war es nach der Erklärung des 2. Irak-Krieges unter der neokonservativen Regierung von Georg W. Bush. Aber in den vergangenen Tagen äußern viele US-Amerikaner Bedenken gegen jeglichen »Happy Talk« oder leichtgläubigen Optimismus, wenn es um den Nahen Osten geht. Zu oft wurden aus militärischen Blitzvorhaben langwierige Kriege. Die »Washington Post« berichtet, dass in den Tagen vor den Militärschlägen gegen den Iran 45 Prozent der US-Amerikaner gegen einen solchen Angriff seien und nur 25 Prozent dafür. 30 Prozent wollten kein Urteil abgeben.

Die Nahost-Experten sehen die Angriffe sehr skeptisch. Ryan Crocker von der Rand-Stiftung, ehemals Berufsdiplomat und Botschafter in Afghanistan, im Irak, Pakistan, Syrien, Kuwait und Libanon äußerte vor den Anschlägen gegenüber der Website Politico größte Bedenken. Keine Anschläge, weder von Israel noch von den USA, könnten ein Vorhaben der Iraner, eine Atombombe zu bauen, restlos beseitigen. Der ehemalige Sonderbeauftragte für den Mittelosten unter Präsident Barack Obama, Dennis Ross, sagte, dass es zwar Bomben gegen Bunker gibt, aber nicht wirklich gegen einen ganzen Berg. Ray Takeyh vom Council on Foreign Relations ist sich sicher, dass die iranische Führung so bald wie möglich zu den Taktiken der asymmetrischen Kriegsführung zurückkehrt, mit ähnlichem Erfolg wie in der Vergangenheit.

Fazit ist, dass man Iran zwar schwächen, aber nicht ohne Diplomatie handzahm machen kann. Es wird bemerkt, dass Iran zweimal so groß wie Texas ist und auch zweimal so groß wie Afghanistan. Die Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung und der Experten versteht sehr wohl, dass man einen militärischen Gegner zwar schwächen, aber nicht zum Umdenken und Regimewechsel zwingen kann. Die Hinweise auf die physische Größe Irans sind unweigerlich eine Warnung der Experten gegen jegliche Idee, die in Richtung Besetzung geht. Aber andere beschwichtigen eher: Der Journalist Arash Azizi, Autor von »What Iranians Want: Women, Life, Freedom« behauptet, dass Iran auf jeden Fall nach den Anschlägen beherzter verhandeln wird, um das Regime selbst zu retten.

Die politische Elite in allen Lagern formuliert schon Bedenken. Die Demokraten, wie zum Beispiel Senator Mike Warner von Virginia, der oberste Demokrat des Geheimdienst-Komitees des Kongresses, kritisiert Trump, dass er agiere »ohne Beratung mit dem Kongress, ohne eine klare Strategie, ohne einen Konsens mit seinen eigenen Geheimdienstchefs, dass Iran tatsächlich so nah an eine Bombe gekommen ist«. Für das Weiße Haus sehr wichtig ist die Reaktion des MAGA-Führers Steve Bannon: Vor den Militärschlägen hatte der Ex-Banker und Podcaster Bannon ungewöhnlich gute Möglichkeiten, mit Trump zu sprechen. Am vergangenen Donnerstag hat er mit Trump Mittag gegessen und wurde allgemein für Trumps Ankündigung verantwortlich gemacht, sich zwei Wochen Bedenkzeit zu nehmen. Doch wie die Anschläge am Wochenende zeigten, hielt Trumps Bedenkzeit nicht lange an. Seitdem eruiert Bannon unentwegt, wie die MAGA-Anhänger reagieren: Vor den Anschlägen hatte er Dramatisches am Samstagabend den MAGA-Anhängern in seinem Podcast »War Room« zu verkünden: »Ich berichte nur, was ich aus ziemlich guten Quellen höre: Die Fete steigt. Wieder ein großes Wochenende in der Entfaltung des Dritten Weltkrieges und nein, niemand, der Dir sagt, dass der Dritte Weltkrieg nicht da ist, versteht irgendwas von der Entwicklung der kinetischen Energie.« Bannons rätselhafte Aussagen lassen für die nahe Zukunft nichts Gutes ahnen.

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