Daniela Klette in der JVA Vechta: Bitte keine Bimmelbahn

Was darf Daniela Klette im Gefängnis lesen oder schreiben? Und wie krank muss man sein, um nicht vom BKA vernommen zu werden?

  • Jürgen Schneider
  • Lesedauer: 5 Min.
Was darf alles in den »Kultursack«? Daniela Klette beim 10. Verhandlungstag vor Gericht, Ende Mai.
Was darf alles in den »Kultursack«? Daniela Klette beim 10. Verhandlungstag vor Gericht, Ende Mai.

Am 27. Mai 2025 erschien im »nd« mein Text »Ein entwendeter Brief«. Ich beschrieb darin, dass ein Brief an Daniela Klette, die in Vechta in der Justizvollzugsanstalt für Frauen einsitzt, der Gefangenen nicht ausgehändigt werden sollte mit der Begründung, er enthalte keine »individuelle Kommunikation«. In diesem Brief befand sich unter anderem ein Auszug aus einem autobiografischen, also höchst individuellen schriftstellerischen Werk von mir, das in der »Neuen Berliner Illustrierten Zeitung« veröffentlicht wurde.

Daniela Klette hat auf meinen »nd«-Text reagiert. Ihr dreiseitiger Brief, mangels Schreibmaschine handschriftlich verfasst am 31. Mai 2025, traf bei mir am 18. Juni ein (Poststempel: »170625«). Der amtliche U-Haftpostprüfer scheint ein äußerst langsamer Leser zu sein. In diesem Brief schildert Daniela Klette, dass ihre Schwester ihr einen Artikel über den Umbau einer Bimmelbahn bei Karlsruhe schicken wollte, über den die Karlsruher Schwestern bei einem ihrer alle 14 Tage erfolgenden Telefonate gesprochen hatten. Der Artikel durfte wiederum mangels »individueller Kommunikation« nicht in die JVA geschickt werden.

Daniela Klette wiederum wollte ihrer Schwester zwei Artikel aus den ihr genehmigten und ausgehändigten Zeitungen zukommen lassen. Bei einem dieser Artikel ging es um Straßenhunde in Istanbul und Athen, die bei Demonstrationen mitlaufen. Der zweite Zeitungstext handelte von Ratten, die trainiert werden, Landminen zu detektieren. Solche Ratten kommen beispielsweise in Kambodscha zum Einsatz. Diese Artikel, die ebenfalls Gegenstand der Telefongespräche zwischen den beiden Schwestern waren, durften die JVA Vechta nicht verlassen.

Im Internet las ich in einer rechtsanwaltlichen Darstellung, dass Briefe, in denen es auch um den Tatvorwurf geht, immer als Beweismittel beschlagnahmt werden. Ebenso können Briefe mit Inhalten, die die Ordnung der JVA oder den Haftzweck gefährden können, angehalten werden. Was eine Karlsruher Bimmelbahn, Zeitungsartikel über Tauben und Ratten mit dem Tatvorwurf zu tun haben oder wie diese die Anstaltsordnung beziehungsweise den Haftzweck gefährden sollen, bleibt ebenso das Geheimnis derer, die eine Kommunikation zwischen der Gefangenen und ihrer Schwester unterbinden, wie die Erklärung, wie mit dieser Zensurmaßnahme eine Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (Paragraf 119 der Strafprozessordnung: Haftgrundbezogene Beschränkungen während der Untersuchungshaft, Abs. 1) abgewehrt wird.

Just an dem Tag, als mein Text »Ein entwendeter Brief« im »nd« erschien, fand ich eine Vorladung zur Vernehmung durch das Bundeskriminalamt im Briefkasten. Die Vernehmung war auf den 20. Juni 2025 terminiert. Die Vorladung enthielt ein Aktenzeichen und den Hinweis, ich solle in einem Ermittlungsverfahren wegen Mordes vernommen werden. Nachdem mein Anwalt das BKA darauf hingewiesen hatte, dass die Vernehmungssache spezifiziert werden müsse, erhielt ich eine zweite Vorladung mit dem Hinweis, es handele sich um ein Ermittlungsverfahren gegen Daniela Klette. Meine Frage, ob ich als Journalist vernommen werden soll, wollte das BKA nicht beantworten.

Ich bin nicht der Einzige, der vom BKA eine Vorladung zur Vernehmung bekommen hat. Bislang sind etliche Personen, die in brieflichem Kontakt mit Daniela Klette stehen oder standen oder Besuchsanträge stellten, vorgeladen worden, dem BKA bei der Erkenntniserweiterung behilflich zu sein. Wer keine verwendbaren Aussagen liefern kann oder möchte, wird unter Verdacht gestellt und Haftandrohungen ausgesetzt. Die Bundesanwaltschaft kommt offenbar bei ihren Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Tatbeteiligung von Daniela Klette an Aktionen der Roten Armee Fraktion nicht voran und simuliert mit den Vorladungen Geschäftigkeit, die von keiner rechtsstaatlichen Institution kontrolliert wird.

Am 12. Juni schickte ich an das BKA ein Attest meines Hausarztes, in dem dieser auf meine koronare Drei-Gefäß-Erkrankung verwies und schrieb, ich sollte bis auf weiteres jede weitere psychosoziale Belastung vermeiden, da diese zu einem erhöhten Herzinfarktrisiko führe. Das BKA zeigte sich davon völlig unbeeindruckt und lud mich am 20. Juni erneut zur Vernehmung vor. Diese ist für den 22. Juli 2025 angesetzt.

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In der Mail der BKA-Kommissarin heißt es: »Ich bitte um Verständnis, dass zur Glaubhaftmachung einer krankheitsbedingten Vernehmungsunfähigkeit nur ein amts- und kein privatärztliches Attest akzeptiert wird. Sollten die Beschwerden anhalten, wird ein entsprechendes Attest benötigt. Der Zeugenladung liegt ein staatsanwaltschaftlicher Auftrag seitens des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA) zugrunde. Ich muss Sie folglich auf die Folgen eines unberechtigten Ausbleibens oder der unberechtigten Verweigerung der Vernehmung hinweisen. In diesem Falle entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Verhängung von Maßregeln (Ordnungsgeld, zwangsweise Vorführung und Ordnungshaft) und die Auferlegung der durch das Ausbleiben oder die Zeugnisverweigerung verursachten Kosten gemäß §§51 und 70 StPO.«

Das BKA droht mit Maßregelung, und was wehwehchengleich als »Beschwerden« abgetan wird, ist eine chronische Erkrankung, wobei unterschiedlich lange Phasen mit geringen Beschwerden mit instabilen und bedenklichen Phasen wechseln können. Sie wird daher auch als chronisches Koronarsyndrom bezeichnet.

Bundesanwaltschaft und BKA nehmen unter Missachtung des Artikels 2, Absatz 2 des Grundgesetzes (»Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit«) offenbar das Risiko eines Herzinfarktes, also eine konkrete Lebens- oder schwerwiegende Gesundheitsgefährdung billigend in Kauf. Den Hinweis meines Hausarztes, dass eine erweiterte fachärztlich-kardiologische Abklärung notwendig ist, ignorierte das BKA geflissentlich. Sie lässt sich keineswegs durch eine amtsärztliche Begutachtung ersetzen.

Die Staatsanwältin und der Richter am Gericht zu Verden werden gewiss weiterhin von einem »objektiven« Verfahren gegen Daniela Klette sprechen. Der Prozess wegen diverser Geldbeschaffungsdelikte findet in einem eigens dafür umgebauten Reitstall statt. Dieses Monstrum, laut Richter entstanden durch einen reinen Verwaltungsbeschluss, ist von einem Kinderspielplatz durch Nato-Draht abgetrennt. Objektiv ist, wenn Bundesanwaltschaft und BKA vorgeben, was in der Strafsache Klette zu geschehen hat. Gegen diese Akte der politischen Justiz, die Ihrem Schalten und Walten der 70er Jahre verhaftet ist und nicht verkraften kann, dass sich Daniela Klette ihrem Zugriff mehrere Jahrzehnte lang entziehen konnte, sollten die Glöckchen der medial gewürdigten Karlsruher Bimmelbahn laut und vernehmbar erklingen, bis dieser absurde Spuk ein Ende findet.

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