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Zweidrittelmehrheit im Bundestag: Geben und nehmen
Wolfgang Hübner über die Linke-Forderung nach Mitsprache bei der Wahl von Bundesverfassungsrichtern
Eigentlich wäre es eine ganz banale Sache: Über die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts entscheiden die Parteien in Bundestag und Bundesrat, und diejenigen Parteien, die für die Zweidrittelmehrheit benötigt werden, nominieren je nach Fraktionsstärke die Kandidaten. So wird es jedenfalls bisher gehandhabt. Nur: Im bisherigen Schlüssel für das Vorschlagsrecht taucht noch die FDP auf. Die gehört aber dem Bundestag nicht mehr an und kann dort nicht mitwählen. Stattdessen brauchen Union und SPD jetzt auch die Stimmen von Grünen und Linkspartei, wenn sie nicht die AfD als Mehrheitsbeschafferin anheuern wollen.
Dass Die Linke – auch mit Blick auf die 2025 neu zu besetzenden drei Richterstellen – angesichts dessen ein Vorschlagsrecht fordert, ist ganz und gar nichts Aufregendes. Jede Partei in dieser Lage würde das tun. Es wird interessant sein, ob vor allem die Union dem entgegenkommt. Selbstverständlich ist es nicht, wie die Nichtwahl von drei Linke-Abgeordneten für Bundestagsgremien gezeigt hat. Dabei müsste auch dem schwärzesten Konservativen klar sein, dass die Frage der Zweidrittelmehrheit regelmäßig wieder auftauchen wird. Und dass der Umgang damit nicht nur ein Nehmen ist – wie bei der Kanzlerwahl, als Die Linke mit ihren Stimmen einen zügigen zweiten Wahlgang ermöglichte –, sondern ein Geben und Nehmen.
Die Zeiten, in denen zwei große Parteien den ganzen Laden ungestört unter sich aufteilen konnten, sind vorbei. Das heißt nicht, dass Christdemokraten und Linke in Liebestaumel verfallen sollen. Politische Differenzen müssen klar bleiben und hart ausgefochten werden. Aber Friedrich Merz und seine Leute müssen sich entscheiden: Sprechen sie mit allen Demokraten, oder klammern sie sich weiter an die ranzig gewordene Ideologie namens Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Linken? Letzteres wäre ein klassischer Fall von Realitätsverweigerung.
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