Berliner Feuerwehr: Ein System, das jederzeit kippen kann

Berliner Feuerwehr meldet mit 530 000 Einsätzen einen historischen Höchststand für das Jahr 2024

Mit vier Prozent aller Beschäftigten spielen Frauen eine äußerst untergeordnete Rolle – insbesondere im Einsatzdienst.
Mit vier Prozent aller Beschäftigten spielen Frauen eine äußerst untergeordnete Rolle – insbesondere im Einsatzdienst.

Wie die Zahl der Einwohner*innen, so wächst auch die Zahl der Einsätze der Berliner Feuerwehr kontinuierlich. Im vergangenen Jahr rückten die Einsatzkräfte zu 530 000 Einsätzen aus – ein Anstieg um 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Wert in der Geschichte. Die Daten gehen aus dem Bericht der Berliner Feuerwehr für das Jahr 2024 hervor.

Unter den Schutz der Berliner Feuerwehr fallen nicht nur die 3,9 Millionen Einwohner*innen, sondern auch die 400 000 Menschen, die täglich in die Stadt pendeln und die 12,7 Millionen Tourist*innen, die jährlich die Hauptstadt besuchen, erklärt der Leiter der Behörde, Landesbranddirektor Karsten Homrighausen, bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch.

Homrighausen spricht von einer hohen Belastungssituation für die Berliner Feuerwehr und ihre Mitarbeiter*innen – bereits bei Grundlast. »Ein kleiner Moment könnte das System zum Kippen bringen.« An Tagen mit besonderer Auslastung wie an diesem Mittwoch, »dem voraussichtlich heißesten Tag des Jahres«, sei es daher notwendig, organisatorisch zu reagieren.

Die Hitze sei für seine Kolleg*innen eine doppelte Belastung. Einmal durch das erhöhte Einsatzaufkommen und durch die Temperaturen selbst. In der vergangenen Woche hätte es einen Einsatz gegeben, bei dem Einsatzkräfte mit besonderer Schutzkleidung 17 Stockwerke per Treppe hätten überwinden müssen. »Die Kollegen hatten danach eine Körpertemperatur, bei der wir von Fieber sprechen können.« Entsprechend wichtig sei es gewesen, die Personen schnellstmöglich herunterzukühlen.

Verglichen mit anderen deutschen Großstädten ist die Anzahl der Einsätze im Verhältnis zur Einwohner*innenzahl überschaubar. »Wir haben in Berlin einen deutlichen Abstand«, sagt Homrighausen und zeigt auf eine Grafik, aus der die Entwicklung des Berliner Wertes und der Mittelwert aller Großstädte hervorgeht.

Homrighausen lobt verschiedene Maßnahmen, mit denen die Berliner Feuerwehr an Effizienz und Modernität gewonnen habe und die auch in der Zukunft noch fortgeführt würden. Die Anzahl der eingegangenen Notrufe ist dem Bericht zufolge um 5,7 Prozent zurückgegangen: auf 1,1 Millionen. Das bedeutet einen Anruf alle 28 Sekunden.

Für diese erfreuliche Meldung gebe es verschiedene Erklärungsversuche, sagt Homrighausen. 2023 habe man etwas mit technischen Herausforderungen zu kämpfen gehabt, etwa mit unbeabsichtigten Hosentaschenanrufen. Derlei Probleme habe man eindämmen können. Womöglich habe eine Öffentlichkeitskampagne zu dem Absinken der Anrufe beigetragen. Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung habe die Feuerwehr versucht, darüber aufzuklären, wann die 112 und wann die 116 117 zu wählen ist. »Wir hoffen, dass die Menschen in Zukunft nur den Notruf wählen, wenn es ein Notfall ist«, sagt Homrighausen.

»Ein Thema bewegt mich sehr: die strukturelle Unterrepräsentation von Frauen.«

Iris Spranger (SPD) Innensenatorin

Seit 2014 konnte die Berliner Feuerwehr ihren Mitarbeiter*innenstab von 3900 auf 5100 ausbauen. Von einem Fachkräftemangel wie noch 2024 spricht Homrighausen mittlerweile nicht mehr. Zwar gebe es noch offene Stellen. Sie müssten allerdings vorgehalten werden für Kolleg*innen, die sich noch in einer Ausbildung befänden. Denn mit der Senatsverwaltung für Inneres, der die Feuerwehr untersteht, sei eine Übernahmegarantie abgemacht. Derzeit sind 902 Ausbildungsplätze besetzt.

Berlins Innensenatorin hat viel Lob für ihre Mitarbeiter*innen übrig, sie hebt den gelungenen Einsatz um die Fußball-Europameisterschaft hervor. Aber, sagt Iris Spranger (SPD), »ein Thema bewegt mich sehr: die strukturelle Unterrepräsentation von Frauen«. Über alle Beschäftigtengruppen hinweg liegt der Frauenanteil bei vier Prozent, unter den Auszubildenden bei elf Prozent. Homrighausen spricht davon, dass auch die Anzahl der Bewerber*innen niedrig sei. Insofern sei es wichtig, Frauen darauf aufmerksam zu machen, dass es in dem von Männern dominierten Beruf Arbeitsbereiche gebe, in denen Frauen sich gut einsetzen könnten. In den Berufsfeldern, für die keine feuertechnische Ausbildung notwendig sei, liege der Frauenanteil bei 45 Prozent.

Auf Nachfrage von »nd« erklärte eine Sprecherin der Berliner Feuerwehr, dass auch der Anteil der Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund »nicht die Gesellschaftsverteilung widerspiegelt und geringer ausfällt«. Details nannte die Sprecherin nicht. Dabei könnten zum Beispiel sprachliche Kompetenzen von Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund im Einsatzdienst hilfreich sein. Das Format der »Kiezgespräche« nutze die Feuerwehr auch für das Recruiting. Hierdurch könnte »der Anteil an Nachwuchskräften mit Migrationshintergrund erhöht werden«.

Mit Blick auf das Einsatzgeschehen an Silvester bekräftigte Innensenatorin Spranger ihr Vorhaben, das Bundesrecht dahingehend zu ändern, dass es dem Land Berlin erlaubt wäre, ein generelles Böllerverbot auszusprechen und zugleich sogenannte Erlaubniszonen einzurichten. Die SPD-geführten Länder seien für eine Initiative im Rahmen der Innenministerkonferenz zu haben, mit der im Bundesrecht den Ländern entsprechende Befugnisse eingeräumt würden. Die Berliner Feuerwehr begrüßt die Initiative.

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