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Künstliche Doofheit
Ich spreche erst mit der KI, wenn sie voller Vorurteile ist, so wie alle anderen Leute auch
Den Umgang mit KI habe ich bislang weitgehend gemieden, ich habe genug Spaß beim Umgang mit biologisch generierter Intelligenz. Meiner Bekannten Susanne etwa, jedem Quantencomputer schon immer und auf absehbare Zeit intellektuell weit überlegen und mir sowieso. In ihrer Freizeit hat sie begonnen, KI-Chatbots in den Wahnsinn zu treiben. Sie stellt sie vor unlösbare logische Probleme, spricht in einer Sprache mit ihnen, die sie als »Französisch« verkauft, jagt die Bots aufeinander, bis die Handys brennen. Das ist schon weitgehend lustig, wenn sie es einem vorführt, und immer noch habe ich mich nicht bereitfinden können, Angst vor der KI zu entwickeln. Sie ist recht doff, wie der Volksmund sagt, und das Einzige, was einen unangenehm berührt an der KI, ist, dass sie so aalglatt abgehoben antiseptisch ist!
Die KI will bestimmte Ausdrücke nicht benutzen, deiner Konversation folgt sie auf keinen Fall in dunkle Ecken, und sobald etwas anstößig sein könnte, flüchtet sie sich in konsensverblödete Allgemeinplätze wie so Pädagogik-Opfer, die sich mit einem sanften Lächeln mit mir darauf einigen wollen, dass wir uns uneins seien, n’est-ce pas?
Da muss ich schon sagen: Ein bisschen mehr Charakter dürfte gern sein, denn Charakterlosigkeit und Unangreifbarkeit führen zu argumentativer Selbstverflüchtigung. Brauchen wir nicht ein, zwei solide Vorurteile im Rückgrat, um uns ein tragfähiges Weltbild basteln zu können, mit dem wir dann auf diesem Planeten voller Irrer überleben?
Elon Musk, so liest meine biologische Restintelligenz auf ihrem Tiefststand (kurz nach dem Mittagessen), habe einen Chatbot entwickeln lassen namens Grok, der jetzt auf »X« unangenehm aufgefallen sei: Grok habe allerhand verblüffend antisemitischen Scheißdreck rausgehauen.
Nun! Ich finde Antisemitismus kacke, finde Rassismus kacke, finde so ziemlich jeden Ismus kacke – trotzdem, ganz ehrlich: ein Schritt in die richtige Richtung! Eine KI, die so tut, als stünde sie über allem, als sei sie erleuchtet wie so ein schwebender Mönch – also, nee. Wer will denn mit so was quatschen? Da kann man seinen müden Kopp ja auch von unten gegen die Kinderrutsche knallen. Was die KI-Entwickler in ihrer Fantasiefreheit bislang übersehen, ist: dass man die künstliche Intelligenz mit genügend künstlicher Doofheit ergänzen muss. Was ist denn ein Gesprächspartner, den man nicht ärgern, necken, aufziehen kann? Was ist ein Gegenüber, das keine Geschichte, keine Traumata und also keine Persönlichkeit hat?
Jede KI sollte zunächst einen Charakter verpasst bekommen, mit massig Macken, von mir aus mit Disclaimer beim Anklicken: »Hat sehr unter dem dominanten Vater gelitten«, »war als G.I. in Vietnam«, »kommt aus Kiel« – da weiß man dann schon Bescheid! Und sollte gar zu inkohärentes Zeug rausblubbern, könnte man ihr ein saftiges »Fickdisch« reindrücken, das wäre ihr Signal, sich mal dezent runterzufahren – und dann wäre doch alles gut? Dann könnte ich meine Bio-CPU in den Späti nebenan schieben, wo Selçuk seine Snickers in einem kleinen Kühlschrank aufbewahrt, großartig, auf so eine tolle Idee wäre Musks Dumpfbot in hundert Jahren nicht gekommen.
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