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Bollwerk des Rechtsstaats vor Gericht
Rheinsbergs Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow wegen Verleumdung und Untreue angeklagt
Im September ist Bürgermeisterwahl in Rheinsberg. Frank-Rudi Schwochow (Freie Wähler) lenkt die Geschicke der Stadt seit 2017 und will weitermachen. »Ich bin mit Herz und Seele Bürgermeister«, sagt er. Für ihn sei es ein Job rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche. »Der Zuspruch der Bevölkerung gerade in der jüngeren Vergangenheit gibt mir viel Orientierung und Rückhalt, genau so weiterzumachen.«
Schwochows Einsatz »für Transparenz und Kostenkontrolle rund um dubiose Mietverträge beim Flüchtlingsheim Flecken Zechlin und das selbstherrliche Gebaren von SPD-Landrat Reinhardt« prägten die erste Amtszeit des Bürgermeisters, so sagen die Freien Wähler. Ihr Landesvorsitzender Péter Vida erklärt: »Frank Schwochow ist ein Bollwerk des Rechtsstaates.«
Doch am Freitag steht der Bürgermeister als Angeklagter vor dem Amtsgericht Neuruppin. Vorgeworfen wird ihm Verleumdung von Landrat Ralf Reinhardt, gegen den – anders als Schwochow 2023 behauptet haben soll – schon damals nicht mehr ermittelt worden sei wegen extrem überhöhter Kosten für ein Flüchtlingsheim in Flecken Zechlin. Es dreht sich nach Angaben von Schwochow um 30 Millionen Euro. Mal rechtfertigend, mal achselzuckend heißt es dazu, die Kosten für Asylheime seien halt immer sehr hoch.
Aber dieser Teil des Verfahrens ist bereits bei einem früheren Termin verhandelt worden. Am Freitag geht es in Saal 317 bei der Fortsetzung der Verhandlung um den Vorwurf der Untreue. Indem er dem Geschäftsführer der kommunalen Rheinsberger Wohnungsgesellschaft (Rewoge) rechtswidrig kündigte, habe der Bürgermeister völlig unnötig Anwalts- und Gerichtskosten von rund 20 000 Euro verursacht. Das sagt der ehemalige Stadtverordnete Freke Over (Linke) als Zeuge aus. Um zwölf Uhr läuten die Kirchenglocken und Freke Over wird just in diesem Moment vereidigt. »Ich schwöre«, sagt er – und verzichtet dabei auf die religiöse Formel »so wahr mir Gott helfe«.
»Der Zuspruch der Bevölkerung gerade in der jüngeren Vergangenheit gibt mir viel Orientierung und Rückhalt, genau so weiterzumachen.«
Frank-Rudi Schwochow Bürgermeister
Freke Over ist als Zeuge geladen, weil er dem Aufsichtsrat der Rewoge angehörte. Er hat Schwochow angezeigt. Die 20 000 Euro Gerichtskosten hätte sich die Wohnungsgesellschaft sparen können, begründet Over den Vorwurf der Untreue. Denn es sei klar gewesen, dass Geschäftsführer Stephan Greiner-Petter ohne einen Beschluss des Aufsichtsrats Ende Oktober 2021 gar nicht hätte gekündigt werden dürfen. Der Bürgermeister erklärte seinen Alleingang als Aufsichsratsvorsitzender damit, dass er das Gremium so schnell nicht hätte zusammenrufen können. Denn Greiner-Petters Vertrag sah eine automatische Verlängerung um jeweils fünf Jahre vor, wenn ihm dieser Vertrag nicht sechs Monate vor Ablauf der Frist gekündigt wird. Es blieben nur wenige Tage.
Ursprünglich sollte Greiner-Petter allerdings gar nicht hinausgeworfen werden. In einem der monatlich stattfindenden Gespräch mit dem Bürgermeister sei es am 27. Oktober 2021 nur um eine Neufassung des Anstellungsvertrags gegangen, wogegen der Geschäftsführer auch nichts gehabt hätte, wie Greiner-Petter selbst am Freitag als Zeuge versichert. Nur eine Kündigung habe er anders als der Bürgermeister für eine Anpassung seines Vertrags für unnötig gehalten. Seit 2012 war Greiner-Petter Geschäftsführer und blieb auch noch nach seiner Kündigung für mehrere Monate mit befristeten Berufungen in dieser Funktion. Greiner-Petter glaubte, er werde noch einen neuen Vertrag bekommen und sandte dem Bürgermeister auch ein dafür möglicherweise zu verwendendes Muster vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen zu.
Schließlich hatte der Geschäftsführer eine gute Arbeit gemacht, das Eigenkapital der Rewoge erhöht und obendrein mit der Wohnungsgesellschaft Nachhaltigkeitspreise gewonnen, wie Freke Over sagt.
Aber als ihm 2022 dann noch frist- und ordnungsgemäß zum April 2027 gekündigt wurde, warf Greiner-Petter hin und suchte sich eine neue Beschäftigung. Sich bis 2027 weiter bezahlen zu lassen, ohne als Geschäftsführer eingesetzt zu sein und arbeiten zu dürfen, dafür habe er sich zu jung gefühlt, erklärt der 55-Jährige.
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Over berichtet noch von anderen Begründungen für das Abservieren des Geschäftsführers: Schwochow habe gestört, dass dieser mehr verdiene und einen Dienstwagen mit mehr Extras habe als er selbst. Dabei verdienen auch die Chefs landeseigener Wohnungsgesellschaften in der Hauptstadt mehr Geld als der Regierende Bürgermeister von Berlin, weiß Over. Das sei üblich. Die derzeitige Geschäftsführung der Rewoge bekomme auch nicht weniger als seinerzeit Greiner-Petter.
Schwochow nimmt Greiner-Petter bei der Vernehmung mit seinen Fragen derart in die Zange, dass die Staatsanwältin ihn ermahnt, der Ex-Geschäftsführer sei hier nicht der Angeklagte, sondern der Bürgermeister. Schwochow entgegnet: »Das ist ja das Problem.«
Der Prozess wird am 1. August mit weiteren Zeugen fortgesetzt. Am 28. September ist die Bürgermeisterwahl. Die Linke schickt ihren Fraktionschef Mario Stärck ins Rennen, die SPD ihren Fraktionschef Lukas Schröglmann und die CDU ihre Ortsbeirätin Silke Peitsch. Es sind die »drei demokratischen Parteien«, wie Freke Over sagt.
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