Mitwirkung unerwünscht

Ulrike Henning über ein fatales Signal in der Pflegepolitik

Bewohner von Pflegeheimen werden über immer weiter steigende Eigenanteile zur Kasse gebeten.
Bewohner von Pflegeheimen werden über immer weiter steigende Eigenanteile zur Kasse gebeten.

Die neuen Zahlen sind keine Überraschung: Die Eigenanteile, die Pflegebedürftige in Heimen selbst zahlen müssen, sind weiter gestiegen. In die Auswertung der Ersatzkassen zum 1. Juli wurden nun erstmals auch die Ausbildungskosten einbezogen, die ebenfalls an die Heimbewohner weitergegeben werden, aber eigentlich eine gesamtstaatliche Aufgabe sind. Mit den neuen Zahlen erhöht sich der Druck auf die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die bis zum Jahresende Vorschläge zur Stabilisierung der Pflegeversicherung vorlegen soll. Von den Leistungsausgaben fließen 30 Prozent in die vollstationäre Pflege, obwohl nur 12,6 Prozent der Pflegebedürftigen in Heimen leben. Und ein Ausgabentreiber sind gerade die Zuschläge, die Heimbewohner entlasten sollen.

Heimpflege ist teuer, wobei die Eigenanteile regional recht unterschiedlich ausfallen. Auf Platz vier im bundesweiten Ranking liegt Baden-Württemberg mit im Schnitt 3400 Euro im Monat (im ersten Heim-Jahr). Ausgerechnet dort bedroht jetzt eine Gesetzesreform die Mitwirkungsrechte der Bewohner in den Heimen. Eine entsprechende Verordnung soll ersatzlos gestrichen und das Thema auf eine vage Formulierung im neuen Landesgesetz reduziert werden. Unter anderem fehlen bisherige Pflichten für die Träger in Bezug auf die Mitwirkung, Kontrollrechte der Heimaufsicht würden reduziert. Mehrere Fachverbände, unter anderem aus der Selbsthilfe, kritisieren das Vorgehen scharf.

Das Signal bei diesem Reformansatz ist über den Südwesten hinaus fatal: Teilhabe und Selbstbestimmung gerade bei jenen Menschen infrage zu stellen, die der Unterstützung bedürfen, das steht für ein paternalistisches Weltbild. Die Botschaft lautet: Mitbestimmen dürft ihr nicht, zahlen müsst ihr aber – und zwar immer mehr.

- Anzeige -

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.