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Französischer Präsident kündigt Anerkennung Palästinas an
Frankreich will stärkeres Engagement Europas bewirken
Mit der Ankündigung einer Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat hat der französische Staatschef der UN-Konferenz vorgegriffen, die am Montag und Dienstag genau zu diesem Thema stattfinden und durch Frankreich und Saudi-Arabien geleitet wird. Einem Kommuniqué des Elysée zufolge hat Macron ein entsprechendes Schreiben auch an den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas geschickt. Diese wiederholt angekündigte und seit Langem erwartete Geste Frankreichs hat vor allem symbolischen Wert. Zum ersten Mal seit Gründung Israels 1948 bekräftigt die Regierung in Paris, dass die Palästinenser nicht nur das Recht auf Existenz in der Region, sondern auch auf einen souveränen Staat haben. Und dies, ohne erst einen hypothetischen Friedensvertrag abzuwarten.
Damit geht Macron weit über das vor 30 Jahren ausgehandelte Abkommen von Oslo hinaus, das zwar auf eine Zweit-Staaten-Lösung zielte, aber die Anerkennung eines Staates Palästina von zahlreichen Bedingungen und vor allem einer Verhandlungslösung zwischen beiden Seiten abhängig machte. Das heißt zugleich: Der Oslo-Prozess ist tot und die gegenwärtige Entwicklung in Palästina duldet kein längeres Zuschauen und Abwarten. Die immer zahlreicheren illegalen Siedlungen zerstören bewusst die territorialen Voraussetzungen für einen palästinensischen Staat. Und im Gazastreifen wird die Bevölkerung durch Bomben und Aushungern vertrieben.
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Frankreich als Vorreiter unter den G7-Staaten
Mit dem Schritt ergreift Frankreich zu diesem extrem brisanten Thema die Initiative, während die anderen G7-Länder größte Zurückhaltung üben. Im Elysée verfolgt man allerdings aufmerksam die Entwicklung in London, wo die Regierung angesichts der israelischen Kriegsführung gegen die Bevölkerung im Gazastreifen ebenfalls eine offizielle Anerkennung Palästinas erwägt.
Im Weltmaßstab wird Palästina bereits von 148 der 193 UN-Mitgliedsländer anerkannt, also 75 Prozent der Weltorganisation. Dazu gehören seit Mai 2024 auch die europäischen Länder Spanien, Norwegen, Irland und Slowenien. Damit konstatieren immer mehr Regierungen – nicht zuletzt unter dem Druck der öffentlichen Meinung –, dass ein weiteres passives Abwarten nur den rechtsradikalen Rassisten und Kriegstreibern in Tel Aviv in die Hände spielt. Entscheidend ist der politische Wille.
Für die Grünen, die Sozialisten und die Kommunisten haben ihre Parteivorsitzenden im vergangenen Juni in einer gemeinsamen Erklärung die Anerkennung Palästinas als »politisch und moralisch längst überfällig« bezeichnet.
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Auf welcher Seite er fehlt, wird schon daraus erkennbar, dass die palästinensische Autonomieregierung bereits 1988 das Existenzrecht Israels anerkannt hat, während die verschiedenen Regierungen Israels nie auch nur ansatzweise Anstalten gemacht haben, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und damit ihr Recht auf einen eigenen Staat anzuerkennen. Letztlich gäbe es zu der schon 1948 von der Uno anvisierten Zweistaatenlösung nur zwei Alternativen: die Annektion ganz Palästinas durch Israel, wodurch die Palästinenser zu Bürgern zweiter Klasse in einem Apartheid-Staat würden, oder die Vertreibung aller Palästinenser durch Gewalt und Hunger in die arabischen Nachbarländer.
Nüchtern betrachtet ist wohl allen Beteiligten klar, dass eine Anerkennung allein noch nichts regelt, dass sie jedoch eine gewichtige diplomatische Geste ist. Darum reagieren ja auch das Weiße Haus und die israelische Regierung so überzogen auf die Ankündigung von Emmanuel Macron. US-Außenminister Marco Rubio erklärt, dass »diese Entscheidung nur der Hamas-Propaganda dient und den Friedensprozess zurückwirft«, und der israelische Premier Benjamin Netanjahu versteigt sich zu der Behauptung, die Anerkennung Palästinas durch Frankreich wäre eine »Belohnung« der Terrororganisation Hamas für ihren Massenmord vom 7. Oktober 2023.
Linke reagiert positiv auf Macrons Vorstoß
In Frankreich reagieren außer dem Regierungslager nur die Linken positiv auf die Initiative von Macron. Jean-Luc Mélanchon begrüsst sie und wertet sie als Ergebnis des »Drucks der Straße«. Für die Grünen, die Sozialisten und die Kommunisten haben ihre Parteivorsitzenden Marine Tondelier, Olivier Faure und Fabien Roussel im vergangenen Juni in einer gemeinsamen Erklärung die Anerkennung Palästinas als »politisch und moralisch längst überfällig« bezeichnet und von der französischen Regierung ein Waffenembargo und Druck auf Israel gefordert, um »den Terror gegen die Palästinenser zu beenden«.
Die rechtsoppositionellen Republikaner werten die geplante Anerkennung als »zumindest verfrüht, solange es noch keinen Ansatz für eine Friedenslösung gibt« und die rechtsradikale Spitzenpolitikerin Marine Le Pen erklärt, diese Entscheidung sei ein »politischer und moralischer Fehler« und bedeute die »Anerkennung einen terroristischen Hamas-Staates«.
Mit solchen Reaktionen musste Präsident Macron rechnen, aber sie können ihn nicht von seinen Überzeugungen abbringen. Dabei ist er sich durchaus bewusst, dass seine Initiative allein noch keine positive Wende der Entwicklung vor Ort bewirken kann. Die palästinensischen Behörden sind aufgrund von Korruption und Menschenrechtsverletzungen schon seit Langem keine legitimen Vertreter der Interessen der palästinensischen Bevölkerung mehr und die Terrororganisation Hamas ist zwar geschwächt, verfügt aber nach wie vor über beträchtlichen Rückhalt in der Bevölkerung und bleibt damit ein massiver Störfaktor bei der Suche nach einer Verhandlungslösung.
Anfang eines langen Prozesses der Normalisierung
Der Hass unter den Palästinensern, der durch den Terror der israelischen Armee und der extremistischen Siedler bewirkt wurde, ist auch ein großes Hindernis für die Anerkennung der Existenzberechtigung Israels und der Israelis in der Region, aber ohne sie ist keine stabile Friedenslösung denkbar.
In Paris ist man sich im Klaren, dass die Anerkennung Palästinas noch nicht die Lösung, sondern erst der Anfang eines langen Prozesses der Normalisierung sein würde. Man erinnert sich noch gut daran, dass die französische Regierung auf die Gründung Israels im Prinzip positiv, aber vorsichtig-zurückhaltend reagiert hat. In dem offiziellen Schreiben, das der französische Außenminister Robert Schumann im Januar 1949 an seinen israelischen Amtskollegen Mosche Scharet richtete, heißt es: »Die französische Regierung hat beschlossen, die provisorische Regierung Israels als De-facto-Regierung Israels anzuerkennen. Das nimmt allerdings nichts vorweg von einer definitiven Friedensregelung im Rahmen der Uno für die Territorien, über die Israel seine Hoheit ausüben wird.« Dies waren und sind vorläufig immer noch die Grundlagen für die Beziehungen Frankreichs zu Israel und zu Palästina.
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