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Einigung zwischen EU und USA: Neue Handelskonflikte programmiert

An der Einigung der EU-Kommission mit den USA gibt es in Europa vor allem Kritik

Wer hier wen über den Tisch zog, ist ziemlich klar.
Wer hier wen über den Tisch zog, ist ziemlich klar.

»Diese Einigung wird in Deutschland deutliche Spuren hinterlassen«, sagt der linke Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Dafür spreche die Tatsache, dass die Produkte der Automobilindustrie und Pharmaprodukte unter den künftigen 15-Prozent-Zoll fallen. Und für Waren der Stahl- und Aluminiumindustrie bleibe es sogar bei 50 Prozent, so Hickel gegenüber »nd«.

US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten am Sonntagabend eine Grundsatzeinigung im Handelsstreit bekanntgegeben. Demnach werden künftig 15 Prozent US-Zoll auf die meisten Produkte aus der EU fällig. Das ist weniger als die von Trump angedrohten 30 Prozent, aber bedeutend mehr als vor seiner Zolloffensive. Lediglich auf eine begrenzte Zahl von Waren sollen künftig bei der Einfuhr keine Abgaben fällig werden. Dazu zählen nach Angaben der EU-Kommission Flugzeuge, bestimmte Chemikalien, Agrarprodukte und kritische Rohstoffe. Außerdem soll die EU bis zum Ende von Trumps Amtszeit US-Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zukaufen: Flüssigerdgas (LNG), Öl und Kernbrennstoffe. Zusätzlich verspricht die EU, in den kommenden Jahren weitere 600 Milliarden US-Dollar in den USA zu investieren.

Die Einigung ähnelt dem Deal der Trump-Regierung mit Japan vor wenigen Tagen. Dieser sieht ebenfalls einen pauschalen Importzoll von 15 Prozent in den USA sowie eine Investitionsoffensive vor. Und hier wie da bleiben viele Detailfragen zunächst ungeklärt. Dazu zählt das Zoll-Niveau auf EU-Seite bei Importen aus den USA. Bei Autos sollen es wohl null Prozent sein, wie aus Brüssel verlautete. Und wie Zusagen von Milliardeninvestitionen in den USA in der Praxis umgesetzt werden sollen, ist ebenfalls fraglich.

In der EU gab es höchst unterschiedliche Reaktionen auf den Deal zwischen Kommission und US-Regierung. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sagte am Montag, grundsätzlich begrüße sie die Einigung, die »potenziell verheerende« Folgen einer Eskalation des Zollstreits verhindere. Scharfe Kritik kam indes aus Frankreich: Premierminister François Bayrou sprach von einem »einem schwarzen Tag« für Europa. Es sei traurig, dass die EU – »ein Bündnis freier Länder, die ihre Werte und ihre Interessen verteidigen wollen« – sich nun zur »Unterwerfung« entschlossen habe.

Weitgehend kritisch wird die Einigung von den Fraktionen im Europaparlament gesehen. Selbst bei den europäischen Christdemokraten rumort es dem Vernehmen nach, da die Vereinbarung zu neuen Ungerechtigkeiten führen könnte. Parteiübergreifend wird die starke Abhängigkeit von US-Rüstungstechnik als ein Grund für die schwache Verhandlungsposition der Europäer genannt – die nun sogar noch verstärkt werden könnte.

Auf den Punkt bringt es Anna Cavazzini, handelspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion: Sie findet es zwar gut, dass »einige der drohenden Horrorszenarien vom Tisch sind«. Allerdings ist sie der Meinung, dass »Trumps Erpressungsmethode leider gewirkt« habe. »Das liegt auch daran, dass die Kommission – auch weil sie von Mitgliedstaaten wie Deutschland gebremst wurde – keine harte Linie gegen Trump gefahren ist und die große Marktmacht nicht ausgespielt hat«.

Ruben Staffa, Außenhandelsexperte im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, geht davon aus, dass die Einigung es, wirtschaftlich betrachtet, »in sich hat«: 15 Prozent Einfuhrzölle auf europäische Warenausfuhren in die USA bedeuteten knapp eine Verzehnfachung der durchschnittlichen Zölle, die vor Trumps zweiter Amtszeit galten, sagt der Ökonom. Hoffnungsvoll stimme lediglich, dass für einige ausgewählte Gütergruppen gegenseitig keine Zölle erhoben werden sollen, darunter Halbleiterprodukte, die die USA dringend für die Chip-Herstellung benötigten. Grundsätzlich bewertet er den Deal aber kritisch: »Als regelbasierte Handelspolitik lässt sich dieses Vorgehen kaum bezeichnen. Es ist zu hoffen, dass die derzeit laufenden Untersuchungen zu Einfuhren von Pharmaprodukten nicht in produktspezifischen neuen Zöllen münden, denn diese würden Europa besonders treffen und den Wert der Einigung deutlich schmälern.«

Hingegen sieht der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel auch für die USA einen »Pyrrhussieg«, nicht nur, weil Trump seine Maximalforderung von 30 Prozent Zoll fallen ließ. Auch seien die massiven EU-Importe an schmutzigem Flüssiggas, Öl sowie an Kernbrennstoffen aus den USA ein Schlag gegen den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise. »Neue Konflikte und Zollverhandlungsrunden sind programmiert.«

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