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- Autoritärer Kapitalismus
Es werden immer Linke von Berufsverboten betroffen sein
Ingar Solty warnt davor, dass progressive Menschen ins Fadenkreuz von Berufsverboten geraten werden.
Es gibt wieder Berufsverbote in Deutschland – ein Anzeichen eines zunehmenden Autoritarismus bei uns. Der Kapitalismus ist ein postliberaler: Nach außen gilt die neoliberale Ordnung des »freien« Handels und »freien« Marktes nicht mehr. Es zeigt sich stattdessen ein neuer Wirtschaftsnationalismus, der – wie in Panama geschehen – mitunter sogar mit Krieg droht, um die Investitionen der ökonomischen Konkurrenz zu eliminieren. Nach innen wird der Kapitalismus zunehmend autoritärer, Entscheidungen werden zentralisiert, Freiheitsrechte wie das auf Versammlung und Meinung verengt und eben wieder Berufsverbote ausgesprochen – in Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Thüringen.
In der Vergangenheit richteten sich Berufsverbote, als sie 1972 in der Bundesrepublik von der Brandt-Regierungen eingeführt wurden, gegen Linke. Für die Mitglieder der nach dem KPD-Verbot von 1956 erst 1968 wieder zugelassenen DKP bedeutete das: Lehrer, Professor, Postbote wirst Du nicht mehr. Zehntausende wurden zu Opfern dieser Politik.
Heute richten sich diese Praxen scheinbar gegen die AfD. Aber klar sein muss: Es werden immer Linke betroffen sein. Warum?
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Wenn die Berufsverbotepraxis von Regierungen der Union ausgeht, dann tun diese es aus Überzeugung, weil sie ihren Hauptfeind links sehen und die extreme Rechte ein bürgerliches Kontinuum ist, Fleisch vom Fleisch der Konservativen, ein radikalisierter Konservatismus. Das hört man nicht nur bei Unionsfraktionschef Jens Spahn, sondern auch bei Kanzler Friedrich Merz und dem Chef des Bundeskanzleramtes Thorsten Frey heraus. Wenn die von der »Brandmauer« sprechen, nennen sie nicht etwa Rassismus und Menschenfeindlichkeit als Grund dafür. Stattdessen werfen sie der AfD vor, »auf Putins Schoß« zu sitzen und damit außenpolitsch unzuverlässig zu sein. (Genau das ändert die AfD gerade, um sich regierungsfähig zu machen: pro-USA/Nato, pro-Aufrüstung, pro-EU/Euro usw.)
Ingar Solty ist Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Geht die Berufsverbotepraxis von rot-grünen Regierungen und im Namen der »wehrhaften Demokratie« gegen die AfD aus, dann sind auch, wie jetzt in Rheinland-Pfalz, kleine, harmlose linke Organisationen im Fadenkreuz der Behörden. So wird gegen Gewerkschaften wie die FAU vorgegangen, die verdienstvolle Arbeit beim Organizing von Arbeiterinnen und Arbeitern der Lieferdienste leisten. Auch Strömungen in der Linkspartei und Organisationen wie die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) und die Rote Hilfe sind verdächtig.
Podcast zum Thema: Einschüchterung durch Berufsverbote. Mit Benjamin Ruß
Rot-Grün tut das nicht bloß, um die Totalitarismusdoktrin zu pflegen, in der es sich so hübsch einrichten und wohl fühlen lässt, in der man sich selbst stets und per se, egal, was man tut, als »die Guten« sehen kann. Man tut es auch, um sich gegen die Reaktion von rechts zu immunisieren, um den Eindruck der »Ausgewogenheit« in der Verfolgung des politischen Gegners aufrechtzuerhalten. Und was schaut ausgewogener aus, als neben einer einzigen großen Rechtspartei, die in Umfragen bundesweit stärkste Partei neben der Union ist, die Mitglieder von Dutzenden linken Organisationen mit Berufsverboten zu belegen?
Ist aber diese Praxis erst einmal etabliert und kommt 2027 oder 2028 eine mögliche Bundesregierung mit AfD-Beteiligung, dann Gnade dem linken Gott. Denn dann wendet sich diese eingeübte und normalisierte Praxis mit voller Wucht gegen links. Dann ist Merz’ trumpistische Prüfung der Gemeinnützigkeit von unzähligen Nichtregierungsorganisationen nur der Anfang.
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