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Neuer Anlauf für Zweistaatenlösung

Deutschland bremst Initiative erneut aus und glänzt mit Sonderweg

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 5 Min.
Großbritanniens Premier Keir Starmer stellt eine Anerkennung Plaästinas in den Raum.
Großbritanniens Premier Keir Starmer stellt eine Anerkennung Plaästinas in den Raum.

Immer größer wird der Druck auf die israelische Regierung, dem Gemetzel und Aushungern im Gazastreifen ein Ende zu bereiten. Zum Abschluss einer UN-Konferenz zur Gründung eines palästinensischen Staates haben mehrere einflussreiche Staaten eine politische Lösung der Besatzung palästinensischen Gebiets durch Israel gefordert. Und, das ist besonders bemerkenswert, mehrere arabische Staaten, darunter Ägypten und Katar, die als Vermittler für ein Gaza-Abkommen fungieren, forderten ein Ende der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen.

Fast 22 Monate nach Beginn des Gaza-Krieges lancierten 15 westliche Länder am Dienstag (Ortszeit) gemeinsam einen Appell zugunsten eines eigenen Staates für die Palästinenser. Zuvor war in einer vereinbarten Erklärung die Entwaffnung der islamistischen Hamas gefordert worden. An dieser Erklärung beteiligte sich auch die Arabische Liga.

Zu der Erklärung für einen Palästinenserstaat teilte der französische Außenminister Jean-Noël Barrot am Mittwoch auf der Plattform X mit, die Unterzeichner wollten »einen palästinensischen Staat anerkennen und appellieren an diejenigen, die dies bisher nicht getan haben, es uns gleichzutun«. Die Zweistaatenlösung, um die es bei der UN-Tagung ging, sieht die Koexistenz eines Palästinenserstaats an der Seite Israels vor.

Unterstützt wird das Papier unter anderem auch von Großbritannien, Kanada, Brasilien, Italien, Spanien, Norwegen und Irland. Bis September soll die Stellungnahme offiziell bei den Vereinten Nationen angenommen werden – bis dahin wird die Unterstützung weiterer Staaten erwartet. Deutschland gehörte bei Veröffentlichung nicht zu den Unterstützerstaaten.

Die Länder bekräftigten, dass die Anerkennung von Palästina als Staat »ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Zweistaatenlösung ist«. Der deutsche Staatsminister Florian Hahn hatte bei der UN-Konferenz zur Zweistaatenlösung in New York gesagt, dass die Bundesregierung Palästina – anders als zuletzt Frankreich – momentan nicht anerkennen werde. Israel und sein engster Verbündeter, die USA, hatten die Veranstaltung boykottiert und scharf kritisiert.

Frankreich, das die UN-Konferenz vom Montag und Dienstag in New York zusammen mit Saudi-Arabien initiiert hatte, hat einen Palästinenserstaat zwar bisher nicht offiziell anerkannt. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte jedoch vergangene Woche angekündigt, dies bei der UN-Generaldebatte im September zu tun. Neun weitere Länder, die den Appell vom Dienstag unterzeichneten, erkennen bisher ebenfalls keinen palästinensischen Staat an, erklärten sich aber willens, diesen Schritt zu tun.

In der ebenfalls bei der UN-Konferenz verabschiedeten Erklärung von 17 Ländern, der EU und der Arabischen Liga wurde gefordert, die Hamas müsse ihre »Herrschaft in Gaza« im Rahmen einer Lösung zur Beendigung des Krieges beenden. Zudem solle die radikalislamische Palästinenserorganisation »ihre Waffen unter internationaler Beteiligung und Unterstützung im Einklang mit dem Ziel eines souveränen und unabhängigen palästinensischen Staates an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben«. Die Erklärung wurde unter anderem auch von Ägypten, Katar und Saudi-Arabien unterzeichnet.

Inzwischen ist auch die britische Regierung auf einen schärferen Kurs gegen Israels Kriegsverbrechen im Gazastreifen eingeschwenkt. Premierminister Keir Starmer kündigte am Dienstag an, dass seine Regierung Palästina als eigenständigen Staat anerkennen werde, sollte die israelische Regierung nicht bis September den Gaza-Krieg beendet haben. Die Pressionen gegenüber Israel werden von Tag zu Tag intensiver, auch aus Ländern, die traditionellerweise als Unterstützer Israel gehandelt werden.

Das beeindruckt israelische Spitzenpolitiker jedoch wenig. So präsentierte der rechtsextremistische Finanzminister Bezalel Smotrich, der der Siedlerbewegung nahesteht, am Mittwoch eine »Lösung« hinsichtlich der Anerkennung eines palästinensischen Staates: »Wir müssen einfach dafür sorgen, dass es nichts anzuerkennen gibt.« Soll wohl heißen, dass die völkerrechtswidrigen Siedlungen im Westjordanland ausgeweitet werden und auch der Gazastreifen in Besitz genommen wird, wenn alle Palästinenser vertrieben oder tot sind.

Deutschland bleibt weiter in der Deckung und verschanzt sich hinter Ausflüchten wie »Dialog mit Israel am Laufen halten«. Außenminister Johann Wadephul (CDU) will an diesem Donnerstag zu einer Reise in die Region aufbrechen und noch einmal versuchen, Israel diplomatisch zum Umdenken zu bewegen. In Israel werde er mit seinem Kollegen Gideon Saar vor allem über die »humanitäre Katastrophe« im Gazastreifen sprechen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Am Freitag will Wadephul mit UN-Vertretern in Jerusalem über die humanitäre Lage im Gazastreifen beraten. In Ramallah im besetzten Westjordanland will er Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde treffen.

Amnesty International kritisiert die deutsche Haltung seit Langem. Julia Duchrow, Generalsekretärin in Deutschland, sagte am Dienstag auf einer Pressekonferenz, dass Deutschland, wie im Falle Israels, »nicht bedingungslos an der Seite eines Staates« stehen dürfe. »Es steht auf dem Boden der Menschenrechte«, das verlangten Völkerrecht und Grundgesetz, so Duchrow. »Keine Staatsräson steht darüber.« Sie forderte, dass die Bundesregierung sich »für einen umfassenden und sofortigen Waffenstillstand« einsetze und Waffenlieferungen gestoppt werden.

Unterdessen setzte sich die Kritik von Hilfsorganisationen an der gemeinsamen »Luftbrücke« Jordaniens und Deutschlands fort, die die Not der Bevölkerung im Gazastreifen lindern soll. Die Organisationen fordern stattdessen Hilfslieferungen auf dem Landweg, die effizienter und sicherer seien. Mit Agenturen

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