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Offener Brief an Merz: Zu wenig und zu spät
Patrick Lempges über den offenen Brief Prominenter zu Gaza
205 Promis bitten in einem offenen Brief den Bundeskanzler, Israel davon abzubringen, Gaza auszuhungern. Unterstützenswert, wenn auch das absolute Minimum – nur zu wenig und zu spät. Ein Jahr und zehn Monate hatte die deutsche Gesellschaft Zeit, sich gegen Israels Vorgehen in Gaza zu stellen. Die paar Hilfsgüter, die Merz jetzt abwerfen lässt, dienen allein dazu, deutsche Mitschuld zu kaschieren. Es sind deutsche Waffen, mit denen Israel einen Genozid verübt. Hierzulande konnte man Jahrzehnte gut schlafen in der Gewissheit, ein Sühne-Abonnement bei Israel zu haben. Waffenlieferungen und wirtschaftliche Vorteile für die Bundesrepublik seit Adenauers Zeiten – und schon war der Großvater kein Völkermörder mehr.
Nachvollziehbar, dass die Regierung nur widerwillig von diesem Deal ablässt. Merz hat sich zwar zu »Kritik« aufgerafft, lehnt Taten jedoch nach wie vor ab – der Druck auf seine Regierung wächst nur langsam und ist weiter nicht groß genug. Der Wandel im deutschen Diskurs kommt für Zehntausende zu spät. Und es war der deutsche Kulturbetrieb, der sich Anfang 2024 von den Machern des Oscar-prämierten Films »No Other Land« über die Siedlergewalt im Westjordanland distanzierte, weil sie schon damals von Genozid sprachen. Schnell wurde dem palästinensisch-israelischen Team Antisemitismus vorgeworfen. Vergangene Woche wurde Odah Hadalin, ein Aktivist, der am Dreh beteiligt war, von dem faschistischen Siedler Yinon Levi erschossen. Es wäre wohl Zeit für manchen Promi, für seinen damaligen Mangel an Solidarität mit den Kollegen um Verzeihung zu bitten.
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