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Berlin: Erhalt bedrohter Moore braucht mehr Geld
Berliner SPD-Fraktion kritisiert fehlende Ressourcen und mangelnde Transparenz bei der Pflege von Flora-Fauna-Habitaten
Das Teufelsseemoor am Müggelsee: Ein hölzerner Steg führt über unter Wasser stehende Flächen, aus denen zahlreiche Pflanzen emporwachsen. Ab und zu steigen Blubberblasen auf – Faulgase von verborgenen Pflanzenresten. Das Wasser ist dunkelbraun gefärbt von den Bitterstoffen, die typisch sind für ein Moor. »Moorwasser ist sauer und nährstoffarm«, sagt Biologe Frederic Griesbaum während einer Führung durch das Gebiet. Hier in Köpenick habe das Moor einen mittleren Säure- und Nährstoffgehalt, in anderen Mooren liege der pH-Wert auf einer Skala zwischen 0 und 14 bei 3 bis 4. »Das entspricht dem Wert von Essig.«
Charakteristisch für Moore ist Torfmoos. Weil ein Moor konstant unter Wasser steht, werden die abgestorbenen Pflanzen ohne Sauerstoffzufuhr kaum abgebaut, es entsteht Torf. »Torf wächst etwa einen Millimeter im Jahr«, sagt Griesbaum. Das Teufelsseemoor wächst seit mehr als zehntausend Jahren. »Es ist nach der letzten Eiszeit entstanden«, sagt Griesbaum. Der Torf habe hier eine Höhe von 13 Metern erreicht. Der namensgebende Teufelssee sei aus einem Toteisloch entstanden. Das heißt, dass hier Eismassen geschmolzen und nicht abgeflossen sind. Noch heute fließt das Wasser aus der Senke mit Moor und See nicht ab und füllt sich alleine aus Regenwasser.
Moore speichern CO2
Doch Regenwasser fällt immer weniger. »Das Moor ist von Austrocknung bedroht«, sagt Griesbaum. Dass das Teufelsseemoor im Hochsommer tatsächlich unter Wasser steht, ist dem Regen der vergangenen Wochen zu verdanken. »In den Dürresommern in den vergangenen Jahren war das Moor im Sommer komplett trocken«, sagt der Biologe Griesbaum. Das ist nicht nur für die vielen Tierarten, vor allem Amphibien, schlecht, die das Moor als Lebensraum brauchen. Moore speichern auch eine Menge Kohlenstoffdioxid, weil die abgestorbenen Pflanzenreste im Wasser konserviert und nicht zersetzt werden.
Fällt das Moor trocken, wird das CO2 freigesetzt und verschärft die Klimakrise weiter. Auch das Treibhausgas Methan würde dann in die Atmosphäre entlassen. »Deswegen müssen die Moore wiedervernässt werden«, sagt Griesbaum. Denn die Region Berlin-Brandenburg, einst sehr nass und moorig, hat den Großteil seiner Moore bereits an die Landwirtschaft verloren.
EU-Schutz für Berliner Natur
Weil die noch verbleibenden Moore unbedingt geschützt werden müssen, hat die Europäische Union viele davon als Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH) ausgewiesen. Sie stehen dadurch EU-rechtlich unter Schutz. So auch das Teufelsseemoor in Köpenick. Als FFH-Gebiet ist es Teil des Natura-2000-Netzwerks zum Erhalt der biologischen Vielfalt in der EU. In Berlin gibt es 15 FFH-Gebiete, sie befinden sich allesamt am östlichen oder westlichen Stadtrand. Wie es um den Zustand und das Management dieser geschützten Gebiete steht, wollte die SPD-Abgeordnete Tamara Lüdke vom Berliner Senat wissen.
»Die gemäß jeweiliger Schutzgebietsverordnung und bestehenden Managementplänen vorgesehenen Maßnahmen zur Pflege- und Entwicklung der Natura-2000-Gebiete werden im Rahmen der vorhandenen personellen und finanziellen Kapazitäten umgesetzt«, heißt es in der jüngst veröffentlichten Antwort des Senats auf eine schriftliche Anfrage Lüdkes. Für die tierschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion zeigt die Senatsantwort, dass es an Personal und Geld für den Naturschutz in Berlin fehlt – das seien »strukturelle Schwächen, die den Naturschutz ausbremsen«. Auch an anderer Stelle verweist die Senatsumweltverwaltung auf den »Rahmen der im Haushalt abgebildeten, vorhandenen Finanz- und Personalkapazitäten in den Naturschutzbehörden«.
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Ob diese nun ausreichen oder nicht – der Senat nennt einige Maßnahmen, um die Berliner FFH-Gebiete instand zu halten. »Mahd, Beweidung, Biotop-Pflege und Gehölzentnahme der Binnendünen und Moore, Gewässerpflege und Besucherlenkung«, zählt er in der Antwort auf die Anfrage auf. Mit der Stiftung Naturschutz Berlin seien außerdem Moor-Renaturierungen durchgeführt worden. Außerdem sei mit den Wasserbetrieben eine Vereinbarung über Schutzmaßnahmen für die Gebiete getroffen worden, die von Grundwasserentnahmen betroffen sind – darunter auch das Teufelsseemoor in Köpenick und das Gebiet Müggelspree-Müggelsee. Weiterhin wurden Kartierungen von geschützten Tier- und Pflanzenarten durchgeführt, darunter Moorfrösche und Torfmoos, die auch im Teufelsseemoor vorkommen.
SPD-Abgeordnete fordert Geld, Personal und Transparenz
»Berlin setzt viele wichtige Maßnahmen in Natura-2000-Gebieten um – von Artenschutzkartierungen bis hin zu Pflegeeinsätzen in Mooren und Dünen«, sagt dazu SPD-Politikerin Lüdke. Ihr fehlt allerdings Transparenz über den Erhaltungszustand der FFH-Gebiete und die Monitoringdaten aus Berlin, die nicht öffentlich zur Verfügung stünden. Der Senat verweist darauf, dass die Berichte aus Berlin an das Bundesamt für Naturschutz (BFN) über eine bereitgestellte Datenbank vermittelt werden. Von dort könnten aber nur bundesweite Daten heruntergeladen werden.
Das Land arbeite derzeit selbst an einer übersichtlichen Aufbereitung der Daten. »Hierfür sind jedoch langwierige Abstimmungsprozesse mit dem BFN, anderen Ländern und hausinternen Ressorts notwendig«, so der Senat. »Natura 2000 darf kein Papiertiger sein! Wer die biologische Vielfalt ernst nimmt, muss die Schutzgebiete personell absichern, ihre Pflege dauerhaft finanzieren und ihre Entwicklung transparent begleiten«, sagt Lüdke.
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