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Thüringer Linke-Vorsitzende: »Werden beide gute Polizisten sein«
Vor allem nach innen wirken: Katja Maurer und Ralf Plötner über ihre nächsten Aufgaben
Frau Maurer, Herr Plötner, wie waren die ersten Tage, nachdem Sie auf einem Parteitag in Ilmenau überraschend zu Landesvorsitzenden der Linken gewählt worden sind?
Plötner: Sehr intensiv, auf jeden Fall, denn wir mussten uns ja sehr schnell mit der Situation auseinandersetzen, dass wir nun auf einmal Vorsitzende waren. Aber, ganz ehrlich, ich finde, dass haben Katja Maurer und ich sehr gut gemacht, vor allem, indem wir uns untereinander verdammt viel abgesprochen haben.
Haben Ihnen die Spitzen der Brombeer-Koalition artig zu Wahl gratuliert?
Maurer: CDU und SPD ja, da haben wir ein höfliches Gratulationsschreiben bekommen. Von der BSW-Spitze habe ich nichts gehört. Dafür hat sich der BSW-Vizepräsident des Landtags, Steffen Quasebarth, einen echten Fauxpas geleistet: Er hat im Landtag der falschen Person zur Wahl gratuliert. Er hatte offenbar nicht mitgekriegt, wer jetzt wirklich an der Spitze unserer Partei steht.
Katja Maurer sitzt seit 2019 für Die Linke im Thüringer Landtag. Zuvor war die 34-jährige Kulturwissenschaftlerin bereits seit 2014 Mitarbeiterin der früheren Linke-Bundesvorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow im Erfurter Parlament.
Ralf Plötner ist Krankenpfleger und studierte anschließend Politikwissenschaft. Der 42-Jährige war von 2019 bis 2024 Mitglied des Thüringer Landtags. Beide führen seit Mitte Juni den Linke-Landesverband im Freistaat.
Wie viele Genoss*innen haben eher Sorgen geäußert, so im Sinne von »Was tust du dir da eigentlich an«?
Maurer: Sehr viele. Ich glaube, vielen Menschen ist sehr bewusst, dass der Landesvorsitz ein Ehrenamt ist und dass ich sowieso schon sehr viel arbeite, mit meinem Landtags- und meinem Stadtratsmandat. Deswegen gibt es auch ein großes Verständnis dafür, dass ich in Zukunft Aufgaben abgeben und stärker priorisieren muss.
Bei Ihnen als Vater von drei kleinen Kindern sieht es vermutlich nicht anders aus, Herr Plötner?
Plötner: Genau, und deshalb habe natürlich auch ich solche Nachrichten bekommen. Aber meine Familie weiß, dass ich mit Haut und Haaren Linker bin, und ich habe die volle Rückendeckung. Wir werden das ganz bestimmt hinkriegen.
Wo wollen Sie Ihre politischen Schwerpunkte setzen?
Maurer: Wir werden uns zunächst mit den Ergebnissen einer Mitgliederbefragung beschäftigen, die der alte Landesvorstand noch in Auftrag gegeben hatte und die jetzt vorliegen. Durch die vielen Neueintritte sind wir eine Partei im Wandel, und jeder hat so ein Gefühl dafür, was passieren muss und was die Mitglieder wollen. Aber bislang gab es wenige empirische Daten dazu. Das ist jetzt anders. Manches bestätigt die Gefühlswelt ein bisschen, manches nicht. Zum Beispiel zeigt sich in der Befragung, dass sich etwa 20 Prozent der Partei noch nicht so richtig mitgenommen fühlen. Dass sich das ändert, ist ganz wichtig, denn wir können auf Parteitagen beschließen, was wir wollen: Wenn die Mitglieder unsere Positionen nicht in die Fläche tragen, bringt uns das alles gar nichts. Deshalb müssen wir jetzt schnell Instrumente schaffen, um sie intensiv einzubinden. Schließlich laufen 90 Prozent der Parteiarbeit ehrenamtlich. Also wird die Arbeit mit den Mitgliedern nach innen definitiv ein Schwerpunkt unserer Arbeit werden.
Plötner: Dazu wird auch gehören, dass wir unsere Neuen fit machen in Fragen wie: Was ist ein Ortsverband? Was macht ein Kreisvorstand? Wofür ist der Landesverband zuständig? Was unterscheidet die Fraktion von der Partei? Da haben wir noch viel vor uns.
Und landespolitisch?
Maurer: Wir sind jetzt wieder in der Opposition, in einer Zeit, in der wir auf Bundes- und Landesebene eine Sparpolitik erleben, die nicht unsere Zustimmung findet, auf die wir aber reagieren müssen. Das wird unsere Arbeit in den nächsten Monaten definitiv prägen.
Womit wir bei den anstehenden Verhandlungen für den Doppelhaushalt des Landes 2026/2027 wären …
Plötner: Erst mal ist es für uns total wichtig, soziale Errungenschaften aus der Zeit von Rot-Rot-Grün zu verteidigen wie etwa das Landesprogramm »Solidarisches Zusammenleben der Generationen«. Dann werden wir darauf bestehen, dass das dritte beitragsfreie Kindergartenjahr auch im nächsten Haushalt abgebildet wird, so wie wir das im Zuge der Haushaltsverhandlungen für 2025 mit der Brombeer-Koalition vereinbart haben. Und dann werden wir natürlich auch darauf dringen, dass zum Beispiel für Bildung und Gesundheit ausreichend Geld zur Verfügung gestellt wird, auch über die Bundesgelder, die nach Thüringen fließen werden. Dabei erwarten wir auch, dass die Landesregierung jetzt mit uns so arbeitet, wie wir auch mit der CDU gearbeitet haben, nämlich dass sie mit der konstruktiven Opposition auf Augenhöhe verhandelt.
Tut sie das nicht?
Plötner: Sie kennen ja die Aussagen unserer Parlamentarischen Geschäftsführerin in der Landtagsfraktion, Katja Mitteldorf, die von dieser Augenhöhe nicht viel erlebt hat. CDU, BSW und SPD werden deutlich zulegen müssen, wenn sie mit der einzigen konstruktiven und demokratischen Oppositionskraft wirklich dieses Land gestalten wollen.
Frau Maurer, während der Verhandlung zum Landeshaushalt 2025 hat Ihre Fraktion immer darauf bestanden, dass kein Geld für Abschiebehaftplätze zur Verfügung gestellt wird. Nun hat die Landesregierung im Haushalt doch Geld dafür »gefunden«. Werten Sie das als Vertrauensbruch?
Maurer: Für mich ist die entscheidende Frage an dieser Stelle nicht, ob es hier einen Vertrauensbruch gegenüber meiner Fraktion gegeben hat. Wenn wir ehrlich sind, wussten wir immer, dass die Landesregierung im Haushaltsvollzug solches Geld finden kann, wenn sie will. Ich finde die Schaffung der Abschiebehaftplätze vor allen Dingen für die Menschen fatal, die dort eingesperrt werden sollen. Ich finde aber einen anderen Punkt für die aktuellen Haushaltsverhandlungen viel entscheidender: Wir sind jetzt in einer Situation, in der die Sozialverbände tatsächlich in Konkurrenz um Fördermittel zueinander stehen, weil die Brombeere sparen will und BSW-Finanzministerin Katja Wolf angekündigt hat, Förderprogramme nach ganz harten Kriterien zu prüfen. Da werden wir sehr darauf achten, dass auch für kleinere Projekte am Ende genügend Geld da ist.
Muss sich die Koalition darauf einstellen, dass der neue Landesvorstand der Linken insgesamt weniger kompromissbereit auftreten wird als der alte oder wollen Sie in den nächsten Monaten guter Polizist, böser Polizist spielen?
Plötner: Wir werden beide gute Polizisten sein, auch wenn ich vielleicht etwas mehr Beinfreiheit haben werde als Katja, weil ich nicht Mitglied der Landtagsfraktion bin. Und dabei werden wir uns auch, so wie wir das derzeit schon tun, ganz eng mit unserem Fraktionsvorsitzenden Christian Schaft abstimmen.
Der prominenteste Linke des Landes, Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow, hat nach dem Ilmenauer Parteitag, auf dem Sie gewählt wurden, in einem langen Essay auf seiner Webseite darüber nachgedacht, ob er sich von seiner Partei entfernt oder seine Partei sich von ihm. Wie gehen Sie mit dieser Äußerung um?
Maurer: Ich glaube, Bodo hat da einen Wachstumsschmerz ausgedrückt, den wir alle irgendwie haben, weil wir alle grübeln und herausfinden müssen, wohin sich unsere Partei gerade entwickelt. Ich habe mit ihm auch lange darüber geredet, mehrmals. Ich habe ihm dann gesagt: Bodo, du bist natürlich unser Promi, aber am Ende bist du auch ein einfacher Genosse, der genau das durchmacht, was alle anderen auch durchmachen. Wir haben ein gutes Verhältnis zueinander, wenn auch manchmal ein streitbares. Ich glaube, er hat verstanden, was ich gemeint habe.
Wenn Ramelow mit seinen Äußerungen ein Gefühl ausgedrückt hat, dass viele in der Partei haben, dann haben Sie aber auch ein ziemlich großes Problem …
Plötner: Es wird die Aufgabe von Katja und mir sein, den Leuten zu sagen, dass wir uns nicht auseinander dividieren lassen, auch wenn wir in manchen Punkten vielleicht unterschiedliche Ansichten haben.
Maurer: Natürlich ist es schwer, mit Widersprüchen klarzukommen. Viele Leute hätten gerne eine eindeutigere Antworten, auch Menschen, die jetzt neu zu uns kommen. Aber wir sind eben eine heterogene und auch streitfreudige Partei. Das bringt mich schon lange nicht mehr aus der Ruhe.
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