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DKV-Report: Deutsche sitzen sich krank
Laut einer neuen Studie könnten nur die Wenigsten ihren Bewegungsmangel kompensieren
Inzwischen dürfte doch schon jedes Schulkind die Grundlagen einer gesunden Lebensführung kennen. Dazu gehören ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung, Rauch-, Dampf- und Alkoholverzicht, und, vielleicht auch Älteren weniger bewusst, die Fähigkeit zur Stressregulierung. Bei einigen dieser Faktoren erscheint die Bewertung einfacher, bei anderen wird es kompliziert. Jedoch erfüllen insgesamt nur zwei Prozent der Deutschen all die entsprechenden Benchmarks, wie es bei der Vorstellung des neuen DKV-Reports dazu heißt.
Der Bericht zum Thema »Wie gesund lebt Deutschland?« wird seit 2010 erstellt, in diesem Jahr wurde die 8. Ausgabe vorgelegt. Dazu werden 2800 Menschen zu ihren Lebensgewohnheiten befragt, in diesem Jahr je hälftig per Telefon- und per Online-Interviews. Beteiligt an der Studie sind die Sporthochschule Köln sowie die Julius-Maximilians-Uni Würzburg. Die DKV wiederum ist der größte Anbieter von privaten Krankenversicherungen hierzulande. Seit 1998 gehört die DKV zur Ergo Group und damit zu deren Muttergesellschaft Munich Re, einem der weltweit größten Rückversicherer.
Den zwei Prozent der Bevölkerung, die wirklich in jeder Beziehung gesund leben, stehen eben 98 Prozent gegenüber, die das nicht schaffen. Die Zahlen sind auch für Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln ein Alarmsignal. »Dann müssen wir uns nicht wundern über die vielen Krankheiten«, sagt der Sportwissenschaftler. Er nennt Diabetes Typ 2, psychische Erkrankungen, Rückenschmerzen: »Die machen das Gesundheitswesen immer teurer«. Eine Antwort, wie dem wirkungsvoll begegnet werden kann, gebe es noch nicht.
Indessen kommt ein neuer Negativrekord hinzu: Die Deutschen sitzen immer mehr, obwohl das weder Froböse noch der DKV-Vorständin Frauke Fiegl vorstellbar schien: Die durchschnittliche Sitzdauer hat sich noch einmal erhöht, auf über 10 Stunden am Tag. Im Jahr 2023 lag der erfragte Wert bei 598 Minuten, 2025 nun bei 613 Minuten. Das bezieht sich auf die Werktage, es sind schon fast zwei Stunden mehr als vor zehn Jahren. Seit 2014 erfasst der Report das Thema als eigenständigen Risikofaktor zusätzlich zu den genannten Bereichen.
Für Froböse ist die lange Sitzdauer »zellulär ein echter Supergau. Da fehlt dann aktivierende muskulöse Arbeit«. Die Ursachen liegen unter anderem in immer mehr Zeiten vor dem Rechner, auch in Video-Besprechungen. Je höher der Bildungsgrad, desto länger verharren Beschäftigte in der Bewegungsarmut. Von den Befragten zeigten sich 77 Prozent als Vielsitzer, sie hocken also mehr als acht Stunden am Schreibtisch und/oder vor einem Bildschirm.
Schon 37 Prozent der Befragten haben aufgrund ihres Sitz- und Bewegungsverhaltens ein moderat bis deutlich gestiegenes Sterberisiko. Das ergibt sich aus einer Risikomatrix, die australische Forscher auf der Basis einer umfassenden Metaanalyse mit den Daten von über einer Million Menschen entwickelten. »Wir riskieren sitzend unsere Gesundheit«, fasst Froböse zusammen.
Nur 30 Prozent der Vielsitzer schaffen es, durch ausreichende körperliche Aktivität das lange Sitzen zu kompensieren. Dazu müssten sie sich täglich mindestens 60 Minuten »moderat intensiv« bewegen, und zwar vor allen in ihrer Freizeit oder auf dem Arbeitsweg. Für diese Intensitätsstufe sollten sich Puls und Atemfrequenz leicht erhöhen, aber ein Gespräch wäre möglich. Das trifft zum Beispiel für langsames Joggen, zügiges Gehen oder Radfahren zu.
Indessen werden aktuelle Gesundheitsempfehlungen für das nötige Bewegungspensum nur teilweise erreicht. Dabei schaffen es 68 Prozent der für die Studie Befragten immerhin, Ausdauersport zu betreiben. Aber das laut der Weltgesundheitsorganisation WHO nötige Muskeltraining, mindestens zweimal pro Woche, sollte laut Froböse ernster genommen werden. Schon gut dabei sind laut der DVK-Studie 34 Prozent der Befragten. Aus sportwissenschaftlicher Sicht ist eine Kombination beider Trainingsschwerpunkte nötig, das eine könne nicht durch das andere ersetzt werden, erläutert der frühere Leichtathlet Froböse.
Aus seiner Sicht sollte Bewegung unterstützt und belohnt werden. Die Räume dafür dürften nicht immer mehr an den Stadtrand verschoben werden. Präventionskurse reichten nicht aus, ein bewegungsfreundliches Umfeld sollte es für alle geben.
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