Karlsruhe duckt sich weg

Matthias Monroy zum Staatstrojaner-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Die seit Jahrzehnten genutzte Protestfigur »Staatstrojaner« im Haus der Geschichte in Bonn
Die seit Jahrzehnten genutzte Protestfigur »Staatstrojaner« im Haus der Geschichte in Bonn

Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag sein Urteil zu zwei Staatstrojaner-Klagen veröffentlicht – dabei ging es um Vorschriften in der deutschlandweit gültigen Strafprozessordnung sowie im Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen: Bei der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) dürfen Behörden auf einem Handy oder Computer die Kommunikation der Zielperson über einzelne Chat-Programme mitlesen. Die seltener genutzte Online-Durchsuchung ermöglicht indes den Zugriff auf das gesamte Gerät der Betroffenen.

Für die Grundrechte ist das Urteil einerseits ein Erfolg: Karlsruhe erklärte die Quellen-TKÜ bei leichten Straftaten (bis zu drei Jahre Haft) für verfassungswidrig und strich diese Befugnis komplett. Zudem monierten die Richter*innen, dass die Online-Durchsuchung das Grundrecht auf Fernmeldegeheimnis nicht berücksichtigt. Beanstandet wurde die weitgehende Maßnahme aber nur wegen eines Formfehlers zum sogenannten Zitiergebot. Die Erlaubnis zur Online-Durchsuchung gilt deshalb weiter, bis der Gesetzgeber nachbessert.

Die Kläger*innen hatten wohl auf eine grundsätzlichere Infragestellung der Staatstrojaner-Praxis gehofft, doch das Gericht beließ es bei den Reparaturen. Damit liegt auch dieses Urteil – wie schon bei Klagen gegen das Bundesnachrichtendienst-Gesetz oder die Vorratsdatenspeicherung – auf der typischen Karlsruher Linie. Das Verfassungsgericht verbietet Überwachung selten komplett, sondern korrigiert sie allenfalls punktuell. Der Staat darf also weiterhin tief in private Lebensbereiche eindringen – nur etwas ordentlicher.

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