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Karlsruhe duckt sich weg
Matthias Monroy zum Staatstrojaner-Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag sein Urteil zu zwei Staatstrojaner-Klagen veröffentlicht – dabei ging es um Vorschriften in der deutschlandweit gültigen Strafprozessordnung sowie im Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen: Bei der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) dürfen Behörden auf einem Handy oder Computer die Kommunikation der Zielperson über einzelne Chat-Programme mitlesen. Die seltener genutzte Online-Durchsuchung ermöglicht indes den Zugriff auf das gesamte Gerät der Betroffenen.
Für die Grundrechte ist das Urteil einerseits ein Erfolg: Karlsruhe erklärte die Quellen-TKÜ bei leichten Straftaten (bis zu drei Jahre Haft) für verfassungswidrig und strich diese Befugnis komplett. Zudem monierten die Richter*innen, dass die Online-Durchsuchung das Grundrecht auf Fernmeldegeheimnis nicht berücksichtigt. Beanstandet wurde die weitgehende Maßnahme aber nur wegen eines Formfehlers zum sogenannten Zitiergebot. Die Erlaubnis zur Online-Durchsuchung gilt deshalb weiter, bis der Gesetzgeber nachbessert.
Die Kläger*innen hatten wohl auf eine grundsätzlichere Infragestellung der Staatstrojaner-Praxis gehofft, doch das Gericht beließ es bei den Reparaturen. Damit liegt auch dieses Urteil – wie schon bei Klagen gegen das Bundesnachrichtendienst-Gesetz oder die Vorratsdatenspeicherung – auf der typischen Karlsruher Linie. Das Verfassungsgericht verbietet Überwachung selten komplett, sondern korrigiert sie allenfalls punktuell. Der Staat darf also weiterhin tief in private Lebensbereiche eindringen – nur etwas ordentlicher.
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