Festival »Jamel rockt den Förster«: Erfolg vor Gericht

Zwei Wochen vor geplantem Start des Events verpflichtet Verwaltungsgericht Schwerin die Gemeinde Gägelow zum Vertragsabschluss

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.
Besucher stehen am ersten Tag des Festivals »Jamel rockt den Förster« vor der Bühne. (zu dpa: «Festival «Jamel rockt den Förster» vor Gericht erfolgreich»)
Besucher stehen am ersten Tag des Festivals »Jamel rockt den Förster« vor der Bühne. (zu dpa: «Festival «Jamel rockt den Förster» vor Gericht erfolgreich»)

Schon 2007 riefen die Eheleute Birgit und Horst Lohmeyer ein Festival gegen rechts ins Leben. Es war zunächst ein Akt der Selbstbehauptung und -verteidigung angesichts der Anfeindungen, denen die aus Hamburg Zugezogenen in einem von Neonazis dominierten kleinen Dorf im Nordwesten Mecklenburgs ausgesetzt waren. Inzwischen waren wohl die meisten Promis im deutschen Musikgeschäft mal hier, von Herbert Grönemeyer über die Toten Hosen bis zu den Ärzten. Am 22. und 23. August soll das Event wieder stattfinden. Doch noch ist nicht ganz klar, ob alles seinen Gang geht. Schuld sind gerichtliche Auseinandersetzungen der Lohmeyers mit der Gemeinde Gägelow, zu der Jamel gehört, und mit dem Landkreis Nordwestmecklenburg.

Die Gemeinde hatte das Gelände, auf dem das Festival stattfindet, bislang kostenfrei zur Verfügung gestellt. Nun aber berechnete sie erstmals eine Pacht dafür: 7870 Euro. Die Lohmeyers klagten gegen die Nutzungsgebühr. Einen Nutzungsvertrag für die Gemeindeflächen wollten sie nur unterzeichnen, wenn er eine Klausel enthält, nach der sie das Entgelt zurückfordern können, wenn diese vor Gericht für rechtswidrig erklärt würde. Dagegen erklärte die Gemeinde, sie wolle einen Vertrag nur unterzeichnen, wenn die Veranstalter von vornherein darauf verzichten, die vorgesehene Pacht- und Kautionszahlung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dagegen reichten die Lohmeyers einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Schwerin ein.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Am Donnerstagnachmittag entschied des Gericht zu ihren Gunsten: Die Gemeinde muss dem vorliegenden Vertrag mit dem von den Veranstaltern gewünschten Rückforderungsvorbehalt zustimmen, verfügten die Richter. Das Bestehen der Gemeinde auf einen Rückforderungsverzicht sei verboten. Das Gericht verwies unter anderem darauf, dass in einem anderen Verfahren sowohl Veranstalter als auch Gemeinde von einer Erstattungsmöglichkeit ausgegangen seien. Es bestehe ein Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Außerdem verwies das Gericht darauf, dass der Veranstalter wegen einer Auflage des Landkreises auf eine entsprechende Nutzungsvereinbarung angewiesen ist.

Die Lohmeyers hatten derweil zuvor auch in einer Auseinandersetzung mit dem Landkreis Nordwestmecklenburg einen Erfolg verbuchen können. Sie hatten das Event nämlich, um die Pachtforderung zu umgehen, nicht als Konzert, sondern als politische Versammlung angemeldet. Bei einer solchen kann die zuständige Behörde aber im Rahmen einer sogenannten Ordnungsverfügung Auflagen verhängen. Das tat der Landkreis.

Da die Festivals bisher stets friedlich und gewaltfrei verliefen, empfanden die Lohmeyers die Ordnungsverfügung als überzogen. Sie legten auch dagegen vor dem Schweriner Verwaltungsgericht Beschwerde ein. Die Richter folgten der Sicht des Paares weitgehend und kippten gleich mehrere Auflagen. Sie unterstrichen den »hohen verfassungsrechtlichen Rang« der Versammlungsfreiheit, die nur eingeschränkt werden dürfe, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei. Das sei hier nicht gegeben, so das Gericht in einer Mitteilung. Es hält demnach nicht einmal das als Auflage vorgesehene »Mitführverbot« von Glasflaschen für nötig, da es für die vom Kreis befürchtete Verwendung von Flaschen als Waffe »an jeglicher tragfähiger Prognosegrundlage« fehle.

Landrat Tino Schomann (CDU) reagierte »mit größter, an Unglauben grenzender Irritation« auf die Entscheidung der Verwaltungsjuristen, wie er in einer Mitteilung schrieb. Er legte dagegen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Greifswald ein. Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Daniel Peters hob den Zeigefinger: »Wer eine Veranstaltung als Versammlung anmeldet, muss sich an Auflagen halten«, erklärte er.

Der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Julian Barlen, stellte sich dagegen an die Seite der Lohmeyers. Diese setzten »mit ihrem Festival ein starkes Zeichen für Zivilcourage«. Ihre Veranstaltung sei »ein bundesweites Symbol für den Mut, sich gegen Rechtsextremismus zu stellen«. Diesem Engagement dürften »keine Steine in den Weg gelegt« werden, »schon gar nicht vom Landrat«.

Ob das OVG der Einschätzung der Vorinstanz folgt, ist noch offen. Wie es auf nd-Anfrage mitteilte, will es über die Beschwerde des Landrats baldmöglichst entscheiden.

Auch gegen den Beschluss des VG vom Donnerstag kann noch Beschwerde beim OVG eingelegt werden. Dennoch ist er vollziehbar. Die Zahlung des Nutzungsentgelts sowie der Kaution von 2500 Euro müsse bis Sonntag ermöglicht werden. Zuvor hatte der Veranstalter mitgeteilt, die Gemeinde habe das bereits gezahlte Geld wieder zurücküberwiesen.

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.