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So rechtsextrem ist die Brandenburger AfD
Vorab geleaktes 142-seitiges Gutachten dokumentiert Radikalisierung des Brandenburger Landesverbands seit 2020
Eigentlich wollte Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos, für SPD) zusammen mit dem Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes (VS), Wilfried Peters, am Donnerstag vor die Presse treten. Dann sollte das »Vermerk« genannte Gutachten des Verfassungsschutzes vorgestellt werden, mit dem die Behörde begründet, warum sie die Brandenburger AfD für »gesichert rechtsextremistisch« hält. Aber das rechtskonservative Online-Medium »Nius« kam dem zuvor und veröffentlichte das Dokument vorab.
Wenn »Nius« damit das Ziel hatte, die Einschätzung zu entkräften oder gar zu widerlegen, ist das nicht gelungen. Das Gutachten zeichnet vielmehr einen Radikalisierungsprozess der Partei nach, der die Behörde zu dem Schluss kommen lässt, dass keine Zweifel mehr an der extremistischen Ausrichtung des gesamten Landesverbandes bestehen. Seit der Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall 2020 habe die Partei ihre verfassungsfeindlichen Bestrebungen fortgesetzt und diese zuletzt erheblich intensiviert, so das Gutachten.
Ein Aspekt, der die Behörde zu dieser Einschätzung kommen lässt: Die Vertreter*innen der AfD haben wiederholt Aussagen getätigt, die der grundgesetzlich verankerten Menschenwürde widersprechen. Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender der Landtagsfraktion, der unabhängig von der Einstufung des Landesverbandes laut VS als rechtsextremistisch gilt, hatte etwa auf einer Kundgebung im August 2023 in Bitterfeld gesagt: »Ein Volk ist nicht das Gleiche wie jemand, der in einem Gebiet wohnt und Staatsbürger eines Landes ist.« Berndt bezieht sich laut Verfassungsschutz auch immer wieder auf die rechtsextreme Verschwörungstheorie, es gebe einen »Bevölkerungsaustausch«. Andere Parteimitglieder sprechen abwertend von »Passdeutschen«.
Äußerungen wie die von Berndt, in denen zwischen ethnischen Deutschen und Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund wertend unterschieden werde, hätten seit 2023 zugenommen, analysiert der VS. Die Sammlung von Zitaten im Kapitel »Verstöße gegen die Menschenwürde« umfasst allein 36 Seiten des insgesamt 142 Seiten starken Vermerks. In der Gesamtschau sei es als erwiesen anzusehen, dass der Brandenburger Landesverband der AfD bestrebt sei, »die Achtung der Menschenwürde für bestimmte Gruppen und Minderheiten – insbesondere für Zuwanderer aus Afrika und islamischen Ländern sowie für deutsche Staatsbürger mit entsprechendem Migrationshintergrund oder Erscheinungsbild – außer Geltung zu setzen«, so der VS.
Weitere Punkte, auf die die Behörde eingeht, sind Verstöße des Landesverbandes »gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip«. Zwar sieht der VS, dass die Ablehnung des Parlamentarismus verfassungskonform sein kann, wenn sie etwa mit der Forderung nach dessen Ersetzung durch ein »plebiszitäres System« verbunden sei. Allerdings könne wegen Äußerungen des AfD-Personals, die sich seit Sommer 2024 häuften, davon ausgegangen werden, dass »maßgebliche Protagonisten der Partei die Absicht verfolgen, nach Übernahme von Regierungsverantwortung Polizei und Justiz für ihre parteipolitischen Zwecke zu nutzen«.
Schließlich verweist die Behörde auf die Vernetzung der Partei mit anderen rechtsextremen Organisationen. Darunter ist etwa der Cottbusser Verein »Zukunft Heimat«, den der Fraktionvorsitzende Hans-Christoph Berndt selber gegründet hat. Aber auch bekanntere Organisationen wie das 2024 aufgelöste »Institut für Staatspolitik« oder die »Identitäre Bewegung« zählt der VS auf. Auch hierfür enthält das Gutachten – genauso wie für die Verstöße gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip – seitenweise Belege.
Die AfD Brandenburg will sich am Donnerstag zu dem Gutachten äußern, nach der Pressekonferenz von Innenminister Wilke und dem Brandenburger Verfassungsschutz-Chef.
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