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Trotz Klimakatastrophe bei der Prävention gespart
Auch in der spanischen Forstwirtschaft gibt es zu wenig Vorsorge, während Hitzeperioden immer häufiger werden
»Was in Kastilien-Leon passiert, ist eine Katastrophe«, erklärt die spanische Feuerwehrfrau Sara Mateos zur Lage im Nordwesten des Landes. »Es gibt nicht genug Feuerwehrleute für so viele Brände«, so das Führungsmitglied der Gewerkschaft CSIF angesichts der Verzweiflung derer, die bei Temperaturen über 40 Grad Celsius bis zur völligen Erschöpfung gegen riesige Flammenfronten ankämpfen. »Es gibt keine Mittel. Es gibt Brände, die nicht einmal bekämpft werden«, fügt sie an. Ganze Gebiete wurden aufgegeben, die Bewohner versuchen bisweilen auf sich alleine gestellt, Hab und Gut und Leben zu retten. Bisher kamen drei Menschen ums Leben, darunter zwei Feuerwehrhelfer.
Feuerwehrleute laden in sozialen Netzwerken verstörende Videos hoch. Nicht selten gehen die Feuer auf Brandstiftung zurück. Erstmals seien »ganze Dörfer« abgebrannt. Man habe es aber geschafft, die 90 Einwohner von Palacios de Jamuzzu evakuieren, die alles verloren haben.
»Es gibt keine Mittel. Es gibt Brände, die nicht einmal bekämpft werden.«
Sara Mateos Feuerwehrfrau
Betroffene wie die Bewohner von Anllares del Sil beklagen, drei Tage »alleingelassen« worden zu sein, als die Flammen sie bedrohten. Bürgermeisterin Alicia García erklärt, es fehle an allem, weshalb nicht einmal Freiwillige gegen die Flammen vorgehen könnten. »Wir sind in dieser Lage, weil niemand kam, als das Feuer ausbrach.« Da sogar die Wasserversorgung nicht intakt sei, habe man den Brand nicht löschen können, als er noch klein war. Aus ähnlichen Gründen brannte sogar die Weltkulturerbestätte Las Medulas ab, mit den einst wunderschönen Kastanienwäldern.
Dass Brände nicht schnell gelöscht werden können, ist ein Faktor, den Experten neben Dürre und Rekordtemperaturen als Folgen der Klimakatastrophe anführen. Brände werden schnell groß, was vor allem mit fehlender Prävention zu tun hat, die zu den Klimaveränderungen hinzukommt. Insgesamt wurden Mittel für Vorbeugung und Brandbekämpfung in vergangenen Krisenjahren gekürzt. Gab man 2009 noch 1,75 Milliarden Euro aus, waren es 2022 nur noch 1,3 Milliarden, rechnet die Tageszeitung »El País« vor. Die Mittel für Prävention wurden auf nur noch 176 Millionen Euro mehr als halbiert. Nur der viel größere Posten für direkte Brandbekämpfung blieb stabil.
Der Weltklimarat IPCC hatte längst vorhergesagt, dass die Lage auf der Iberischen Halbinsel auch wegen Dürreperioden immer explosiver wird. Öfter auftretende und immer stärkere Hitzewellen reduzierten die Feuchtigkeit in der Vegetation, was das Brandrisiko erhöht, die Brandsaison verlängert und die Wahrscheinlichkeit von Großbränden vervielfacht«, hatte der IPCC vor Jahren prognostiziert.
Nach Ansicht der Experten müsste Prävention im Vordergrund stehen, um die schnelle Ausbreitung kleiner Feuer zu Großbränden zu verhindern, die nun im Land wüten. Der Präsident der Vereinigung der Forstbetriebe (Asemfo) Miguel Ángel Duralde kritisiert, daran würde gespart, da Politiker keine »direkten Resultate« vorzeigen könnten. Die Vizedirektorin der Ingenieurskammer für Forstwirtschaft sieht überall Finanzierungslücken. Für Arantza Pérez Oleaga ist die Waldbewirtschaftung der Schlüssel. Hier fehlte es an präventiven Maßnahmen. »Wenn die Brände vorbei sind, vergessen die Politiker das Thema und lassen sich lieber mit teuren Löschgeräten fotografieren.«
Auffällig ist, dass viele und vor allem große Brände in Regionen wüten, in denen die rechte Volkspartei (PP) regiert. Die CDU-Schwesterpartei ist seit 1987 in Kastilien-Leon durchgehend an der Macht. Vier der zehn in Spanien registrierten schwersten Brände finden sich hier, drei allein in der Provinz Zamora. Diese wurden zwischen 2022 und 2025 erfasst. Das ist kein Zufall, denn in dieser Region wurden die Mittel für Prävention sogar um fast 90 Prozent gekürzt. Bei diesen drei Bränden sind zwischen 31 000 Hektar und 40000 Hektar Vegetation verbrannt, der Spitzenwert wurde durch den aktuellen Großbrand erreicht. Auch die von der PP regierten Regionen Galicien, Valencia, Andalusien und Murcia stehen im Ranking der Flächenbrände weit oben.
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Gehandelt wird oft erst, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Die Notfalleinheit der Armee (UME) wurde, wie schon bei der Flutkatastrophe in Valencia im vergangenen Herbst, zu spät bei der Zentralregierung angefordert. Die PP-Regionalregierungen versuchen aber erneut, die Verantwortung für ihre verfehlte Politik der sozialdemokratischen Zentralregierung zuzuschieben. Wie bei der Flutkatastrophe liegen die Kompetenzen jedoch in der Region.
Zur Brandbekämpfung kann zusätzliche Hilfe in Madrid angefordert werden, wie die UME oder Löschhubschrauber und Flugzeuge. Die Zentralregierung kann auch internationale Hilfe anfordern, wie es nun geschehen ist. Entspannung an der Brandfront ist frühestens ab Wochenanfang zu erwarten, wenn die Temperaturen zurückgehen sollen. In einer Woche sind in Spanien schon 120 000 Hektar Wald, Buschland, Felder und Dörfer abgebrannt. Das ist bereits jetzt das Dreifache der Gesamtverluste des Vorjahres.
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