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Inga Ruginienė: Verdächtig links
Inga Ruginienė ist neue Ministerpräsidentin Litauens
Irgendwas Diskreditierendes wird sich schon finden – und wenn man es konstruieren muss. Dieser Geheimdienstlogik verfielen zuletzt auch die Gegner von Inga Ruginienė, um zu verhindern, dass die 44-Jährige Ministerpräsidentin in Litauen wird. Vor allem die russische Verwandtschaft und der vermeintliche russische Akzent hatten es Konservativen und Nationalisten angetan. Von den Anschuldigungen habe sie gehört, sagt Ruginienė. Und natürlich sei sie als Kind bei der Verwandtschaft in Russland gewesen, aber auch viele Sommer lang bei der Verwandtschaft im ukrainischen Kramatorsk. So sei das halt als Kind der Sowjetunion, wie Ruginienė sich selbst bezeichnet. Nicht zuletzt wuchs sie in einem multinationalen Viertel von Vilnius auf, und da wurde neben Litauisch nun mal auch Russisch gesprochen.
Nach diversen Studien und Ausbildungen (öffentliche Gesundheit, Forstingenieurin, Arbeitsrecht) folgte die Arbeit beim Roten Kreuz und in verschiedenen Gewerkschaften. Sechs Jahre war Ruginienė Vorsitzende des Litauischen Gewerkschaftsbundes, zwischen 2023 und 2024 zudem Vizepräsidentin des Europäischen Gewerkschaftsbundes. Im vergangenen Jahr kam schließlich der Seitenwechsel in die Politik und ein steiler Aufstieg. Für die Sozialdemokraten zog Ruginienė ins Parlament ein und wurde gleich Sozial- und Arbeitsministerin.
Litauische Politikwissenschaftler bescheinigen ihr ein »wahrhaftiges linkes politisches Weltbild«. Im stets nationalistischer werdenden Baltikum ist das durchaus bemerkenswert. Für Ruginienė gehört auch das Mitgefühl mit den Menschen in Gaza dazu, ebenso wie für die Menschen in der Ukraine. Eine gefährliche Mischung für Konservative. Direkt vor der Wahl zur Ministerpräsidentin suchte der Geheimdienst noch einmal nach einer diskreditierenden russischen Spur, und sei es bei Ruginienės Mann, der Geschäftsbeziehungen nach Russland haben soll. Ohne dabei fündig zu werden.
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