Volkspark Friedrichshain: Friedensglocke läutet und keiner kommt

Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schickte nur ein Grußwort

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Beim 70. Jahrestag an der Berliner Friedensglocke
Beim 70. Jahrestag an der Berliner Friedensglocke

»Das Sterben findet kein Ende«, beklagte Kerstin Wolter, Linke-Landesvorsitzende in Berlin, in einer Erklärung zum Weltfriedenstag am 1. September. Hunderttausende seien in Gaza von einer Hungersnot betroffen. Bereits im Oktober habe ihre Partei gefordert, dass Berlin Schutzbedürftige aus Gaza aufnimmt. »Die humanitäre Lage dort verschärft sich jeden Tag immer weiter. Es gilt, keine Zeit zu verlieren.« Andere Städte seien da schon weiter. Der Senat müsse jetzt auch endlich handeln und ein Landesaufnahmeprogramm auflegen.

»In Berlin lebt die größte palästinensische Community Deutschlands, viele bangen um Verwandte in der Region, und sie sollten die Möglichkeit erhalten, Angehörige bei sich aufzunehmen«, sagte Wolter. Weiter sagte sie: »Wir stemmen uns mit aller Kraft gegen die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft, die Aufrüstungsspirale und gegen die Einführung der Wehrpflicht durch die Hintertür. Und wir wollen eine Friedensklausel in die Berliner Verfassung aufnehmen und dafür sorgen, dass die Stadt keine Verträge mit Rüstungsunternehmen abschließt.«

Im Volkspark Friedrichshain steht seit 1989 ein japanischer Pavillon mit einer Friedensglocke. Dort erinnert seit die Berliner Friedensglockengesellschaft an die Opfer der am 6. August 1945 auf Hiroshima und drei Tage später auf Nagasaki abgeworfenen Atombomben. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und alle zwölf Bezirksbürgermeister der Hauptstadt waren zum 80. Jahrestag dazu eingeladen. Keiner von ihnen ist erschienen, Wegner hat lediglich ein Grußwort übermittelt, das verlesen werden konnte.

Dagewesen vor knapp einem Monat ist der Abgeordnete Alexander King (BSW). Auf seine schriftlichen Anfrage antwortete die Senatskanzlei, dass Wegner und die Bezirksbürgermeister »aus terminlichen Gründen« nicht teilnehmen konnten und sich auch bei keiner anderen Veranstaltung zum 80. Jahrestag der Atombombenabwürfe blicken ließen. Der Regierende Bürgermeister engagiere sich aber im Rahmen von Städtepartnerschaften für internationale Verständigung, heißt es. Mit der Mitgliedschaft im Netzwerk »Mayors für Peace« (Bürgermeister für den Frieden) setze Wegner »ein Zeichen gegen die Verbreitung von Atomwaffen«. Ob allerdings der Senat einen Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag befürworten würde? Die Senatskanzlei winkt ab. Eine mögliche Unterzeichnung des Vertrags falle allein in die Zuständigkeit des Bundes.

King sagt: »80 Jahre nach dem unbeschreiblichen Kriegsverbrechen hatte das Gedenken eine besondere Tragweite, die sich nicht nur aus dem runden Jahrestag, sondern auch daraus ergibt, dass in unserer unmittelbaren Nachbarschaft grausame Kriege mit erheblichem Eskalationspotenzial stattfinden, an denen auch Atommächte direkt oder indirekt beteiligt sind.« Wie habe es sein können, dass weder Wegner noch die Bezirksbürgermeister zu irgendeinem Erinnern an Hiroshima und Nagasaki kamen? Die weitgehende Ignoranz gegenüber diesem Datum sei vielsagend und passe in die geschichtsvergessene Politik des Aufrüstens und der Kriegstüchtigkeit.

Beim 70. Jahrestag an der Berliner Friedensglocke
Beim 70. Jahrestag an der Berliner Friedensglocke
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