»Mountainhead«: Die Welt als Untertan

Der Film »Mountainhead« erzählt von den Abgründen der Tech-Elite, von rechter Ideologie und größenwahnsinnigen Fantasien

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Egal, wer von denen das Penisfechten gewinnt, die Menschheit ist verloren, wenn die das Sagen haben.
Egal, wer von denen das Penisfechten gewinnt, die Menschheit ist verloren, wenn die das Sagen haben.

Eigentlich wollen sich die vier Freunde Randall, Hugo, Venis und Jeffrey übers Wochenende zum Pokerspielen treffen. Aber bald geht es bei ihrer Zusammenkunft in einer Villa in den verschneiten Bergen Utahs um nicht weniger als die Zukunft der Menschheit. Denn die vier gehören zu den reichsten Männern der Welt, haben große Ähnlichkeit mit verschiedenen realen Tech-Milliardären und bieten einen verstörenden Blick in die sozialen und politischen Abgründe heutiger wirtschaftlicher Eliten.

Der Film »Mountainhead« ist eine bitterböse, kammerspielartige Satire von Regisseur Jesse Armstrong über die Ignoranz, Idiotie und die Macht der Superreichen. Die haben trotz aller jüngsten Differenzen von Donald Trump und Elon Musk derzeit in den USA großen politischen Einfluss und müssen mit weit weniger Beschränkungen rechnen als bisher. Regisseur Jesse Armstrong macht sonst Serien und fiktionalisierte für HBO mit »Succession« schon äußerst erfolgreich die Biografien der Reichen und Mächtigen wie William Hearst und Rupert Murdoch im Mediengeschäft. Nun widmet er sich in dem gerade mal in sechs Monaten komplett produzierten Film »Mountainhead« mit großem Staraufgebot den medial derzeit so präsenten Tech-Milliardären.

Während die Milliardäre auf ihren Handys zusehen, wie die Welt aus den Angeln fliegt, versichern sie sich, dass das alles kein Problem sei.

Gastgeber Hugo Van Yalk (Jason Schwartzman) ist der »Arme« in der Viererbande und versucht bei seinen Freunden, Geld für eine Meditations-App lockerzumachen. Der Erfolgreichste ist Venis »Ven« Parish (Cory Michael Smith), der sich ausgiebig feiern lässt. Er ist Eigentümer von Traam, einem Social-Media-Dienst mit vier Milliarden Nutzern und schwärmt ständig vom Flug ins All. Venis ist eindeutig das fiktive Alter Ego von Elon Musk. Steve Carell gibt Randall Garrett, Investor mit engem Draht zum Militär und ins Weiße Haus. Er ist der ältere Mentor der Gruppe, hat gerade eine Krebs-Diagnose bekommen und redet ständig von Akzeleration, also Entwicklungsbeschleunigung. Er hat große Ähnlichkeiten mit Peter Thiel und träumt im Stil der kalifornischen Transhumanisten davon, noch vor seinem absehbaren Tod sein Bewusstsein in eine Cloud hochzuladen.

Der Jungspund in der Runde ist Jeff Abredazi (Ramy Youssef), der Jeff Bezos ähnelt. Er ist der fast sympathische Linksliberale der Gruppe, der gerade einen Filter erfunden hat, mit dem sich Deep-Fake-Posts aufspüren lassen. Und davon gibt es gerade jede Menge, nachdem Venis’ Social-Media-Unternehmen eine neue KI-Software lanciert hat, die täuschend echte Videos und Bilder macht. Die Folge sind massive Unruhen weltweit, nachdem es wegen Deep Fakes Anschläge und Morde gegeben hatte.

Während die Milliardäre in der Villa auf ihren Handys zusehen, wie die Welt aus den Angeln fliegt, versichern sie sich gegenseitig, dass das alles kein Problem sei. Nur Jeff meldet moralische Bedenken an. Venis will Jeffs neue Software zur Erkennung von Deep Fakes kaufen, aber vielleicht auch nur, um sie nicht einzusetzen. Jeff bleibt skeptisch, will keinen Deal eingehen und die Spannung zwischen den beiden steigt. Man dürfe alles nicht so ernstnehmen, ist das Credo der anderen drei.

Das gilt auch, als der namentlich nicht genannte US-Präsident Venis anruft und auffordert, die Funktion der neuen Software einzuschränken, um die fatale Wirkung der via Traam viral gehenden Deep Fakes kleinzuhalten. Aber Venis verweigert das. Stattdessen machen sich die Jungs über den Präsidenten lustig und putschen sich gegenseitig auf. Sie träumen von einer technokratischen Regierung, die endlich die Macht übernimmt und demokratische Standards schleift. Als dann auch noch erst Argentinien und dann andere Staaten bankrottgehen, springen sie als Geld gebende Retter ein. Gastgeber Hugo verhandelt per Videoschalte mit der argentinischen Regierung und kürzt erst mal Sozialprogramme und Gesundheitsvorsorge.

An dieser Stelle ist aber noch lange nicht Schluss. Etwa ab der Hälfte des Films eskaliert die Geschichte erst richtig. Denn Venis, Hugo und Randall planen den liberalen Jeff zu ermorden, der immer mehr Bedenken formuliert. Randall beschimpft ihn als De-Akzelerationisten, der versucht den Fortschritt der Menschheit aufzuhalten. Im Großen und Ganzen geben die Tech-Gurus in ihren ziemlich flott geschriebenen Dialogen die Stehsätze von Curtis Yarvin wieder, einem der wichtigsten Vordenker der Neuen Rechten in den USA. Aber auch der Name der Villa »Mountainhead« ist ein Verweis auf Amerikas politische Rechte. Er leitet sich von Ayn Rands Debütroman »Fountainhead« ab, worauf auch gleich zu Beginn des Films direkt angespielt wird.

Der 1943 erschienene Roman ist ein Schlüsseltext der liberalen Neokonservativen in den USA und formuliert eine Ablehnung aller kollektiven Strukturen zugunsten eines radikalen Individualismus. Wie gewalttätig und mörderisch die rechte spätkapitalistische Ideologie dann von den drei Puristen umgesetzt wird, ist harter Stoff, wird aber dennoch satirisch in Szene gesetzt. Beim Zuschauen ist dieser Film mitunter aber ungemein anstrengend und unangenehm. Und das soll er auch sein. Denn wie aggressiv und dumm sich diese vier reichen Männer benehmen, tut richtig weh.

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