Bildung ohne Chor und Schülerzeitung

In Brandenburg ist im neuen Schuljahr nur der Unterricht abgesichert – angeblich

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Tausende Lehrer, Eltern und Schüler demonstrierten im Mai vor dem Landtag gegen Sparmaßnahmen.
Tausende Lehrer, Eltern und Schüler demonstrierten im Mai vor dem Landtag gegen Sparmaßnahmen.

Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, verkauft Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) am Mittwoch als Erfolg. »Es ist uns im vergangenen Schuljahr gelungen, dass keine Schülerin und kein Schüler in Brandenburg eine Zeugnisnote nicht erhielt, weil in einem Fach kein Unterricht stattfand.«

In früheren Jahren ist dergleichen stellenweise durchaus mal vorgekommen. Es soll aber auch im kommenden Schuljahr, das in Brandenburg am Montag startet, nicht wieder geschehen. Damit verspricht der Bildungsminister, was Eltern vom Bildungssystem normalerweise mindestens erwarten dürfen. »Die fiskalischen Rahmenbedingungen sind herausfordernd und haben Schulleitungen, Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern große Sorgen bereitet«, weiß Freiberg. »Wir haben diese sehr ernst genommen und Lösungen gefunden, um den Unterricht an unseren Schulen weiterhin abzusichern.«

Das Land spart sich die sonst notwendige Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte, indem 60 Prozent der Kollegen ab Februar eine Stunde Unterricht pro Woche mehr erteilen müssen. So entfallen 345 Stellen, die andernfalls besetzt werden müssten. Befürchtungen, dass wegen der höheren Arbeitsbelastung Kollegen in andere Bundesländer abwandern, haben sich dem Bildungsminister zufolge bisher nicht bestätigt. In Berlin beispielsweise müssen Pädagogen ohnehin jetzt schon eine Stunde mehr in der Woche unterrichten.

Neue Lehrer braucht das Land Brandenburg trotz der Sparmaßnahme, denn es muss viele in den Ruhestand tretende Kollegen ersetzen. Das hat das Land auch beachtet. 1533 Pädagogen wurden zum Stichtag 18. August unbefristet eingestellt. 745 von ihnen waren allerdings bereits in den Schulen tätig, nur bisher lediglich mit befristeten Arbeitsverträgen. 423 Referendare sind nun vollwertige Lehrer geworden. 383 von ihnen hat Brandenburg selbst ausgebildet, 14 aus Berlin übernommen und 26 aus anderen Bundesländern.

Zum 18. August vergangenen Jahres hatte Brandenburg 1512 Lehrer unbefristet eingestellt und auch nach diesem Datum noch Stellen besetzt. Im Ergebnis waren es am Ende 1555 Einstellungen. Es werde wieder so sein, dass die Zahl noch steige, wenn auch leicht, erklärt Minister Freiberg. Momentan seien noch 255 Vollzeiteinheiten unbesetzt. Das bedeutet, es könnten noch 255 Lehrer mit einer Vollzeitstelle angenommen werden, bei Kollegen mit Teilzeitbeschäftigung entsprechend mehr. 255 unbesetzte Vollzeitstellen, das sind 1,5 Prozent aller vorhandenen Lehrerstellen. In Anbetracht größerer Lücken in früheren Jahren erlaubt sich Steffen Freiberg wörtlich von »nur« 1,5 Prozent zu sprechen.

Befristet hat Brandenburg ebenfalls wieder Lehrer eingestellt: Jetzt 1142, im vergangenen Jahr waren es noch 1601. Wer ein Lehramtsstudium und ein Referendariat absolviert hat, der kann in Brandenburg eine feste Stelle bekommen. Von den Kürzungen betroffen sind aktuell »fast ausschließlich und fast vollständig« Stellen, die mit Seiteneinsteigern hätten besetzt werden müssen, so der Minister. Dennoch sind 46,3 Prozent der neuen Kollegen Seiteneinsteiger. Das ist die bisher höchste Quote. Im vergangenen Schuljahr waren es 39,7 Prozent, im Schuljahr 2016/17 nur 14,3 Prozent. Insgesamt ist etwa jeder fünfte Lehrer in Brandenburg ursprünglich nicht als solcher ausgebildet worden.

Bei der Unterrichtstafel gebe es keine Einschränkungen, beteuert Bildungsminister Freiberg. Es könne und werde aber so sein, dass beispielsweise einige Arbeitsgemeinschaften wegfallen, zusätzliche Angebote wie der Yogakurs, die Theatergruppe oder der Chor. Vielleicht werden auch Schülerzeitungen eingestellt. Keine einzige Schule verliere aber mehr als neun Prozent ihrer Zuweisungen, im Landesdurchschnitt betrage das Minus 2,5 Prozent, sagt Freiberg.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft will ihre Sicht der Dinge am Freitag schildern, der Pädagogenverband meldete sich mit seiner Kritik bereits am Dienstag zu Wort (»nd« berichtete).

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