Prognose: Mehr Gewitter

Engmaschige Wetter- und Klimamodelle können Superzellen besser erfassen

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 4 Min.
Gewitterzellen haben oft nur einen Durchmesser von wenigen Kilometern.
Gewitterzellen haben oft nur einen Durchmesser von wenigen Kilometern.

In Italien wurden vergangene Woche von den Alpen bis zum Stiefelabsatz diverse Regionen von schweren Niederschlägen verheert. Zahllose Bäume wurden umgeworfen, Häuser abgedeckt und Erdrutsche ausgelöst. Auch Teile der Schweiz, Sloweniens und Frankreichs, wo mehrere Windhosen oder Tornados auftraten, waren von den Unwettern betroffen. Aus den mittel- und süditalienischen Regionen Umbrien, Abruzzen, Molise und Puglia wurde über besonders große Hagelkörner von meist zwei bis drei Zentimetern Durchmesser berichtet. Das größte wurde nach Angaben der britischen Zeitung »Guardian« mit einem Durchmesser von fast zehn Zentimetern aus dem Dorf Guglionesi in der Region Molise gemeldet.

Wie die Tornados ist auch der besonders heftige und zerstörerische Hagel ein Anzeichen dafür, dass ein Teil der Niederschläge mit sogenannten Superzellen in Verbindung stand, das heißt mit besonders schweren Gewittern. Auch wenn diese Gewitterzellen diesmal offensichtlich sozusagen im Rudel auftraten, haben sie – auch die Superzellen – für gewöhnlich nur wenige Kilometer Durchmesser und sind daher von den Klimamodellen bisher nicht zu erfassen. Meteorologen können allerdings in ihren Modellen für die Wettervorhersage relativ gut ablesen, wo Gewitterbedingungen auftreten. Doch auch in den Klimawissenschaften verbessern sich die Modelle, wie eine neue Studie zeigt, die zugleich die Zunahme dieser besonders schweren Unwetter in einer sich erwärmenden Welt vorhersagt.

Die Zahl der Superzellen-Gewitter könnte auf der Alpennordseite um bis zu 52 Prozent zunehmen.

Ein Vorhersagemodell für das Wetter von morgen oder das Klima der nächsten Jahrzehnte kann man sich so vorstellen: Über den ganzen Planeten oder auch nur einzelne Regionen werden 30 bis 90 Schichten von Gittern gelegt und an den Gitterpunkten der Zustand der Atmosphäre (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und -richtung und so weiter) mit den diversen physikalischen Gleichungen zu einer Abfolge von Zeitpunkten berechnet. Genauigkeit und Aussagekraft der Ergebnisse hängen von der Maschenweite der Gitter und der Größe der Zeitschritte ab. Generell gilt: je kleiner, desto besser. Der limitierende Faktor ist die Rechnerleistung, denn die Zahl der notwendigen Operationen ist selbst für die verwendeten Großrechner gewaltig.

Für den vierten Bericht des Weltklimarates IPCC von 2007 wurden die meisten globalen Modelle noch mit einer Maschenweite von ungefähr 200 mal 200 Kilometern gerechnet. Mittlerweile können Erdsystemmodelle hingegen mit 50 Kilometern Auflösung und 95 vertikalen Schichten arbeiten.

Werden die Berechnungen auf einzelne Regionen wie etwa Europa beschränkt, kann noch deutlich kleinteiliger gerechnet werden, wie es jüngst Schweizer Forscherinnen und Forscher getan haben, um Näheres über Superzellen in Zeiten des Klimawandels zu erfahren. Die Arbeit wurde vergangene Woche im Fachblatt »Science Advances« veröffentlicht. An der Universität Bern und der renommierten Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich konnte die Häufigkeit dieser besonders schweren und oft große Schäden verursachenden Stürme mit einer Maschenweite von 2,2 Kilometern so detailliert wie nie zuvor simuliert werden. Zunächst wurde mit den gegenwärtigen Randbedingungen die Häufigkeit ermittelt und mit den europäischen Wetterdaten für die Jahre 2016 bis 2021 verglichen. Die Übereinstimmung war recht gut, meint Ko-Autorin Monika Feldmann, die am Mobiliar Lab für Naturrisiken und am Berner Oeschger-Zentrum für Klimaforschung arbeitet. Allerdings seien etwas weniger schwere Gewitter simuliert worden, als tatsächlich auftraten. Das sei jedoch nicht überraschend, so Feldman. »Das Modell kann nur Superzellen-Gewitter darstellen, die eine Ausdehnung von mehr als 2,2 Kilometern aufweisen und länger dauern als eine Stunde. Manche Stürme sind aber kleiner und dauern weniger lang.« In einem zweiten Schritt wurde sodann simuliert, wie viele Superzellen-Gewitter in einer gegenüber dem vorindustriellen Niveau um drei Grad Celsius wärmeren Welt zu erwarten sind. Das Ergebnis: Sie treten durchschnittlich um elf Prozent häufiger auf, ihre Zahl könnte insbesondere auf der Alpennordseite um bis zu 52 Prozent zunehmen. In Süddeutschland ist also künftig mit noch mehr Ernte- und anderen Wetterschäden zu rechnen.

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -