Anpfiff für die Bundesliga der Frauen – mit einem Rekordspiel

Nach der EM ist vor dem Liga-Alltag. Wie viel Euphorie ist noch übrig?

  • Johann Caspar Nilius
  • Lesedauer: 5 Min.
Union Berlin und Dina Orschmann (l.) wollen nach dem Aufstieg nun auch in der Bundesliga angreifen.
Union Berlin und Dina Orschmann (l.) wollen nach dem Aufstieg nun auch in der Bundesliga angreifen.

An diesem Freitag eröffnen Eintracht Frankfurt und die SGS Essen die Bundesligasaison der Frauen. Erstmals starten 14 Teams statt der bisherigen zwölf in die neue Spielzeit. Das neueste Mitglied? Der 1. FC Union Berlin.

»Glaub an dich und es wird wahr, die 1. Bundesliga ist für uns nun endlich da«, sangen die Fans, als der Aufstieg endlich perfekt war: Am 27. April setzten sich die Köpenickerinnen mit 6:1 gegen Borussia Mönchengladbach durch und waren dadurch nicht mehr von den ersten drei Plätzen zu verdrängen – obwohl sie doch erst im Vorsommer aus der Regionalliga in die zweite Liga aufgestiegen waren. Doch damit nicht genug: Das entscheidende Aufstiegsspiel trugen Unions Fußballerinnen vor über 14 000 Zuschauenden im Stadion an der Alten Försterei aus – Zahlen, von denen auch die Konkurrenz in der ersten Liga nur träumen kann.

Gerade einmal 2700 Karten haben die Klubs der Bundesliga in der vergangenen Saison im Schnitt pro Spiel verkaufen können. Somit kamen weniger als die Hälfte der durchschnittlich 6600 Menschen, die sich Spiele der Frauen in der höchsten englischen Liga im Stadion angesehen haben. Auch das Fernsehgeld in England übersteigt das Hiesige deutlich: Die Women’s Super League erhält jährlich über 15 Millionen Euro – dreimal so viel wie Bundesliga. Dazu kommt, dass die deutschen Vereine in der kommenden Saison jeweils einen kleineren Teil der gesamten Einnahmen erhalten. Der Grund? Die Liga wurde um zwei Startplätze vergrößert. Ein neuer TV-Vertrag wurde allerdings in dieser Saison noch nicht vereinbart, sodass die Gelder durch zwei Vereine mehr aufgeteilt werden müssen.

Der deutsche Fußball wird abgehängt

Andere Ligen, die der Bundesliga finanziell enteilen? Das dürfte auch Fans der Fußballer hierzulande bekannt vorkommen. Und auch sportlich gibt es einige Parallelen: Denn die einst beste Liga der Welt ist auf europäischer Ebene abgehängt worden. In der Champions League der Frauen kam in den letzten zwei Jahren kein deutsches Team mehr über das Viertelfinale hinaus. Die besten Spielerinnen verlassen die Liga: So verabschiedete sich die deutsche Nationalspielerin Jule Brand vom VfL Wolfsburg, um sich Olympique Lyon in Frankreich anzuschließen. Sie erklärte: »Ich weiß, dass die Spielerinnen, die hier sind, die besten sind.« Um dem entgegenzuwirken, gab der DFB am Donnerstag bekannt, dass er beabsichtige, eine gemeinsame Gesellschaft mit den Klubs der Bundesliga zu gründen.

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Den nationalen Titelkampf bestimmt auch bei den Frauen der FC Bayern. Gleich elf der 14 Trainer und Trainerinnen tippten die Münchenerinnen auf den ersten Platz. Nach zuletzt drei Meisterschaften in Folge startet der FC Bayern durch die Rückkehr von Mittelfeldchefin Lena Oberdorf noch mal gestärkt in die neue Saison. Die deutsche Nationalspielerin fiel die gesamte Vorsaison verletzt aus und löst nun bei den Bayern einen regen Konkurrenzkampf aus: Auf der Doppelsechs etablierten sich in der vergangenen Spielzeit die englische Europameisterin Georgia Stanway und Sarah Zadrazil. Es wird spannend bleiben, wie der neue Trainer José Barcala, der von Servette Genf zum FC Bayern kam, mit diesem Luxusproblem umzugehen weiß. Sportdirektorin Bianca Rech, sprach zuversichtlich über den neuen Coach: »Er ist sehr empathisch, kommunikativ und aufgeschlossen, hat einen guten Zugang zur Mannschaft und eine klare Linie.«

Erföffnungsspiel mit Rekordkulisse

Am Samstag empfängt der FC Bayern zum offiziellen Eröffnungsspiel der Saison einen seiner größten Konkurrenten im Titelkampf: Bayer Leverkusen. Bereits am Donnerstag wurden für das Spiel über 50 000 Tickets verkauft – neuer Bundesligarekord! Ein gutes Zeichen dafür, dass die Euphorie, die im Sommer aufkam, als die deutsche Nationalelf bei der Europameisterschaft bis ins Halbfinale kam, noch nicht verbraucht ist. Bis es am Samstagabend losgeht, könnte die Zahl sogar noch steigen. Der europäische Rekord für ein Ligaspiel ist in Sichtweite: Der liegt bei 60 739 Zuschauenden im Duell zwischen Atlético Madrid und dem FC Barcelona in Spanien.

Bayer Leverkusen wird nach Platz vier im Vorjahr von vielen Fans und Expert*innen noch stärker eingeschätzt. Auch Trainer Roberto Pätzold gab sich zuversichtlich: »Dass wir zum ersten Mal seit vielen Jahren einen Großteil der Mannschaft zusammenhalten konnten, ist sehr wertvoll. Außerdem konnten wir uns sehr gezielt verstärken.« Daneben wollen der VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt wieder oben angreifen. Der VfL blieb in der Vorsaison erstmals komplett ohne Titel. Der neue alte Trainer Stephan Lerch, nach vier Jahren zurück in der Autostadt, muss einen großen Umbruch moderieren: 15 Spielerinnen sind gegangen, zwölf kamen neu hinzu. Trotzdem »wollen wir für die Bayern im Titelrennen ein harter Gegner sein«, so der Coach.

Am unteren Tabellenende kämpfen vermutlich Carl Zeiss Jena und der letzte reine Frauenverein in der Bundesliga, die SGS Essen, mit den beiden aufgestiegenen Teams aus Nürnberg und Hamburg um den Klassenerhalt. Obwohl die neue HSV-Trainerin Liese Brancao mit einer Bilanz von nur drei Niederlagen in 148 Spielen aus St. Pölten kommt und mit ihrem neuen Team für eine Überraschung sorgen will. Dafür brachte sie immerhin gleich acht neue Spielerinnen ihres Ex-Klubs mit. Ihr neuer Job scheint ihr außerdem vorherbestimmt: Geboren ist Brancao nämlich in der brasilianischen Stadt Nova Hamburgo.

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