Reine Nervensache für die Klinik

Das Krankenhaus Ludwigsfelde macht Defizit. Es plant aber, eine Neurologie aufzubauen. Denn es ist ein Standort mit Zukunft

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Im modernen Haus F des evangelischen Krankenhauses Ludwigsfelde ist alles da, was es braucht, um Leben zu retten.
Im modernen Haus F des evangelischen Krankenhauses Ludwigsfelde ist alles da, was es braucht, um Leben zu retten.

An einer Wand sind die meisten Fliesen abgeschlagen, eine Folie am Fenster ist halb abgerissen. Dieser Teil des evangelischen Krankenhauses in Ludwigsfelde sieht aus wie eine Baustelle. Und er ist auch eine. Denn eine Station wird zu einem intensivmedizinischen Zentrum umgestaltet.

Besonders kleine Krankenhäuser auf dem Lande müssen sich umorientieren und schauen, was sie in Zukunft noch machen wollen und können und was nicht. Und in Ludwigsfelde stehen Veränderungen an. »Wer heute aufstehen kann, geht bald nach Hause«, erklärt der ärztliche Direktor Burkhard Schult. Die Erkenntnis passt zur laufenden Krankenhausreform. Patienten sollen öfter ambulant behandelt als stationär versorgt werden – und der Trend geht auch zur Tagesklinik.

Das Krankenhaus an der Albert-Schweitzer-Straße von Ludwigsfelde musste Ende November schon seine Geburtsstation schließen. Es hatte nicht mehr genug Fachärzte und Hebammen für einen Betrieb rund um die Uhr. Aber das war nicht der alleinige Grund. »Neben der problematischen Personalsituation sind auch die demografische Entwicklung mit rückläufigen Geburtszahlen sowie die strukturelle Benachteiligung von Geburtskliniken, die einen wirtschaftlichen Betrieb erst ab mehr als 800 Geburten im Jahr möglich macht, Grund für die Schließung«, heißt es im Geschäftsbericht. »Das evangelische Krankenhaus Ludwigsfelde zählte 2024 lediglich 250 Geburten.«

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Im Zuge der Krankenhausreform hat die Klinik zwölf sogenannte Leistungsgruppen beantragt, die sie ab 2027 weiter oder neu anbieten will. Momentan werden die Anträge vom Medizinischen Dienst vorgeprüft und dann bis Ende des Jahres vom Gesundheitsministerium in Potsdam unter die Lupe genommen.

Für das Krankenhaus Ludwigsfelde erklärt Geschäftsführer Ottmar Schmidt: »Die Neurologie wollen wir neu hinzunehmen.« Er erzählt das Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller (für BSW). Sie reist gerade durchs Bundesland und besucht ein Krankenhaus nach dem anderen. Am Donnerstag ist Ludwigsfelde dran. Müller war hier 2016 schon einmal zu Gast. Damals war sie noch SPD-Landtagsabgeordnete.

»Hier wird eine Basisversorgung, eine Grundversorgung bleiben«, registriert Müller. Das sei positiv. Sie weiß von den überall verbreiteten Sorgen in der Bevölkerung, dass die jeweiligen Krankenhäuser schließen oder so schrumpfen, dass es am Nötigsten fehlt. Wenn wirklich etwas wegfällt, müsse man es den Leuten erläutern, verlangt Müller. Sie versichert: »Ich tue für die Krankenhäuser, was ich kann.«

Um Ludwigsfelde ist es aber anscheinend so schlecht nicht bestellt. Zwar mache das hiesige Krankenhaus genauso Defizit wie derzeit viele andere kleine Kliniken, gesteht Hans-Ulrich Schmidt. Er ist designierter kaufmännischer Vorstand des Trägers Diakonissenhaus Berlin-Teltow-Lehnin und möchte das Defizit nicht beziffern. Er zeigt sich zuversichtlich, dass finanzielle Verluste nur vorübergehend zu verkraften sein werden. Denn dieses Krankenhaus habe Potenzial. Die Stadt Ludwigsfelde erlebt schließlich einen Zuzug junger Familien. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist mit 43,6 Jahren vergleichsweise gering. Im laufenden Jahr wird die Gruppe der unter 15-Jährigen die am schnellsten wachsende sein. Die Einwohnerzahl übersprang bereits die Marke von 30 000. Es gibt große und kleine Industriebetriebe. Täglich pendeln unter dem Strich 4000 Menschen mehr zur Arbeit nach Ludwigsfelde, als von hier aus woanders hin aufbrechen. Die Nähe zur Bundeshauptstadt ist hilfreich, wie auch die Lage am Berliner Autobahnring. Die Kommune baut neue Schulen – und sie braucht ganz sicher das Krankenhaus.

»Ich will nicht versprechen, dass wir alles halten können, was wir hier haben«, sagt Vorstand Hans-Ulrich Schmidt dem Bürgermeister Andreas Igel (SPD). Die wirtschaftlichen Ergebnisse der Klinik seien momentan »alles andere als angenehm«. Aber eins könne er klarstellen. »Wir wollen den Standort erhalten. Wir glauben daran, dass wir das Haus konsolidieren können.« Die Gesundheitsministerin und ihr Abteilungsleiter Michael Zaske hören das gern.

»Wir glauben daran, dass wir das Haus konsolidieren können.«

Hans-Ulrich Schmidt
Kaufmännischer Vorstand

Ein Pluspunkt ist, dass es hier im Berliner Umland zwar auch nicht leicht ist, Ärzte zu finden, aber bedeutend leichter als in vielen anderen Gegenden Deutschlands. Gerade konnte ein Fachmann für die Disziplin Spezielle Unfallchirurgie gefunden werden. Er muss nur noch seinen Arbeitsvertrag unterschreiben. Dann kann er am 1. November anfangen. 450 Beschäftigte zählt das Krankenhaus und hat 228 Betten. Es gibt allein 71 volle Stellen für Ärzte und 112 für Krankenschwestern und -pfleger. Tatsächlich sind mehr von ihnen an Bord, weil manche nur Teilzeit arbeiten.

Der ärztliche Direktor Schult führt die Gesundheitsministerin stolz durch das Haus F, einen 2020 eröffneten Neubau mit einer modernen Notfallaufnahme. Den Rettungsdiensten musste erst gesagt werden, welche medizinischen Möglichkeiten es vor Ort gibt. Seitdem steuern sie das Krankenhaus öfter an. Für Bagatellfälle wie Bienenstiche, für die es eine Notaufnahme nicht braucht, gibt es gleich nebenan eine Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung, damit auch diesen Patienten geholfen werden kann. Eine Praxis für Radiologie ist ebenfalls vorhanden. Woanders müssen Patienten acht bis neun Wochen auf einen Termin warten und geplante Operationen aufgeschoben werden, weil die Ärzte dafür noch die Bilder brauchen. »Da können wir helfen«, berichtet Geschäftsführer Ottmar Schmidt.

Im vergangenen Jahr zählte das Krankenhaus noch 7707 stationäre Behandlungsfälle und schon 12 529 ambulante. Das ist die Zukunft.

- Anzeige -

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.