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Kürzungen an Berliner Unis: Zähneknirschend unterschreiben
Hochschulen stimmen trotz Bedenken Kürzungen zu
Der Sparhammer rückt näher: Nachdem die Universitäten bereits den neu ausgehandelten Änderungen an den Hochschulverträgen zugestimmt haben, stehen nun alle Zeichen darauf, dass auch das Abgeordnetenhaus den geänderten Vertragswerken zustimmen wird. In einer Sitzung des Wissenschaftsausschusses des Berliner Parlaments deuteten die Regierungsfraktionen ihr Abstimmungsverhalten entsprechend an.
Die Hochschulverträge regeln die Finanzierung der Hochschulen und der Universitätsmedizin Charité. Darin ist festgelegt, in welcher Höhe der Zuschuss liegt, den das Land Berlin den Universitäten zur Verfügung stellt. Eigentlich waren für die Jahre 2025 bis 2028 bereits im Frühjahr vergangenen Jahres Hochschulverträge abgeschlossen worden. Sie sahen vor, dass der Sockelbetrag der Finanzierung Jahr für Jahr um je fünf Prozent steigen sollte. Doch dann stellte die Berliner Haushaltskrise das Vertragswerk infrage. Der Senat zog sich zunächst einseitig aus den Verträgen zurück, später kam es zu Nachverhandlungen.
Die neuen Verträge sehen nun deutlich geringere Aufwüchse vor: Gegenüber den ursprünglich beschlossenen Verträgen bedeuten die Änderungen ein Minus von 15 Prozent. Weil so kaum die steigenden Kosten aufgefangen werden können, heißt das faktisch, dass die Unis schrumpfen müssen. Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx (SPD) schätzte im Juli, dass knapp 14 Prozent der bestehenden Studienplätze berlinweit in den kommenden Jahren abgebaut werden müssen. Im Gegenzug werden die Hochschulen in den Verträgen bei den Pensionszahlungen entlastet und erhalten künftig einen Zuschuss, um Tarifsteigerungen aufzufangen.
Eine »Zäsur im Verhältnis von Hochschulen und Landespolitik« nannte Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Univerität, vor dem Ausschuss die vergangenen Monate. Das plötzliche Umschwenken des Senats habe eine »Vertrauenskrise« ausgelöst. An den Hochschulen wisse man nicht mehr, ob man sich auf die Zusagen des Senats verlassen könne. »Diese Vertrauenskrise kann nur überwunden werden, wenn der Änderungsvertrag verbindliche Leitlinie ist«, sagte von Blumenthal. »Es muss klar sein: Der Vertrag gilt, an diesem Vertrag wird nicht mehr herumgeschraubt.«
»Wir mussten die am wenigsten schlechte Alternative empfehlen«, begründete Julia Neuhaus, Präsidentin der Hochschule für Technik, warum ihre Hochschule sich entschieden hat, den geänderten Verträgen zuzustimmen. »Der Änderungsvertrag bietet uns Planungssicherheit und Handlungsspielräume in einer schwierigen Situation.«
Doch diese Planungssicherheit hat offenbar enge Grenzen: »Wir können im Moment nicht strategisch argumentieren«, sagte Markus Hilgert, Präsident der Universität der Künste. »Wir sind durch die Art der Verträge gezwungen, nicht wieder zu besetzen, was frei wird.« Tatsächlich können die Hochschulen nicht frei entscheiden, wo sie Kürzungen vornehmen, weil sie an laufende Arbeitsverträge gebunden sind. Gekürzt werden kann also effektiv nur dort, wo ein Mitarbeiter kündigt, in Rente geht oder seine Befristung ausläuft. »Das ist kein strategiegeleiteter Prozess«, so Hilgert. »So kann man keinen Staat und auch keine Hochschule machen.«
»Die Kürzungen sind eine Gefahr für die Grundsätze guter Arbeit.«
Felicia Kompio Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Für kleinere Hochschulen wie die Universität der Künste bedeute das tiefe Einschnitte, so Hilgert. Denn dort würden Studiengänge oft nur von einer einzigen Professur betreut. Falle diese Stelle weg, müsse im Zweifelsfall also auch der gesamte Studiengang eingestellt werden. Insgesamt müsse die Universität der Künste 12 Prozent ihrer Professuren einsparen, das entspräche 30 Stellen.
Die Kürzungen hätten auch für die verbliebenden Mitarbeiter Folgen, warnte Felicia Kompio von der Wissenschaftsgewerkschaft GEW. »Die Kürzungen sind eine Gefahr für die Grundsätze guter Arbeit«, sagte sie. »Beschäftigte übernehmen immer mehr Aufgaben, weil Stellen nicht nachbesetzt werden.«
Auch über die Unis hinaus werden die Konsequenzen wohl zu spüren sein: Weil in den kommenden Jahren die Hochschulen für angewandte Wissenschaft, umgangssprachlich Fachhochschulen, 1600 Studienplätze im Jahr abbauen werden, werde sich der Fachkräftemangel verschärfen, prophezeite BHT-Präsidentin Julia Neuhaus. Die Industrie- und Handelskammer schätze den dadurch entstehenden volkswirtschaftlichen Schaden ihren Angaben zufolge auf 50 Milliarden Euro.
Studierende und Gewerkschaften hatten gefordert, dass die Hochschulen Klage gegen das neue Vertragswerk einreichen. Auf diesem Weg wollten sie erreichen, dass die bereits beschlossenen Verträge als weiterhin gültig erklärt werden. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der Abgeordentenhausverwaltung hatte diesem Vorhaben durchaus gute Chancen eingeräumt.
»Eine Klage hätte keinen Effekt gehabt«, sagte dagegen HU-Präsidentin Julia von Blumenthal dazu, warum sich letztlich keine der Berliner Hochschulen für diesen Schritt entschloss. Eine solche Klage vor dem Verwaltungsgericht wäre wohl erst nach zwei bis drei Jahren entschieden worden – also dann, wenn die aktuellen Hochschulverträge ohnehin auslaufen. In dieser Zeit wäre die Finanzierung der Hochschulen unsicher gewesen. Und selbst eine erfolgreiche Klage wäre von Blumenthals Meinung nach nur ein kurzfristiger Erfolg gewesen. »Die zusätzliche Summe wäre vom Senat bei den Verhandlungen zu den nächsten Hochschulverträgen verrechnet worden«, ist sie sich sicher.
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