- Berlin
- Klimaanpassung
Berliner Baumgesetz beschlossen: Pflanzen, pflanzen, pflanzen
Ein neues Gesetz für Klimaanpassung der Initiative Baumentscheid ist nach Abstimmung im Abgeordnetenhaus beschlossene Sache
Es ist geschafft: Berlin bekommt ein Klimaanpassungsgesetz. Darüber freut sich die Initiative Baumentscheid, die das Gesetz entworfen und über ein Volksbegehren auf den Weg gebracht hat. Nachdem der Berliner Senat dem Gesetzesentwurf zunächst eine Absage erteilt hatte, ist das Gesetz nach einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses am Montag mit Zustimmung von CDU, SPD, Grünen und Linke bei Enthaltung der AfD nun beschlossene Sache.
Kern des Gesetzes sind verbindliche Zielvorgaben für Klimaanpassung innerhalb der kommenden 15 Jahre. Bis 2040 ist das Land verpflichtet, die Zahl der Berliner Straßenbäume von aktuell 440 000 Stück auf eine Million aufzustocken – alle 15 Meter braucht es dann einen Straßenbaum je Straßenseite. Es müssen 1000 sogenannte Kühlinseln in den Vierteln geschaffen werden, in denen es am heißesten ist. Diese Hitzeviertel müssen um zwei Grad abgekühlt werden. Pro gefällten Baum müssen drei nachgepflanzt und 100 neue Grünflächen geschaffen werden.
»Wir werden als Initiative, ähnlich konstruktiv wie in den letzten Monaten, den Senat, CDU, SPD und die Bezirke begleiten, damit sie pflanzen, pflanzen, pflanzen«, so Heinrich Strößenreuther, Ko-Initiator des Baumentscheids, am Montag während einer Pressekonferenz. Denn der Zeitplan ist straff: Bis Mitte 2026 müssen etwa der Beirat, die Steuerungsgruppe und die Stabsstelle eingesetzt werden, in einem Jahr müssen die Hitzeviertel ausgewiesen sein, in zwei Jahren alle Standards für die Personalbemessungen und Weiteres angepasst und alle Bäume nachgepflanzt sein, die in den vergangenen zehn Jahren nicht nachgepflanzt wurden.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
»Mit Inkrafttreten des Gesetzes gilt sofort das Berücksichtigungsgebot bei allen behördlichen Entscheidungen«, sagt Strößenreuther. Das heißt: Bei Bauvorhaben zum Beispiel müssen Auswirkungen auf das Stadtklima berücksichtigt werden, und es darf keine Verschlechterung stattfinden. »Das kann dann bei allen Entscheidungen eingeklagt werden«, sagt Felix Mühlmann von der Initiative.
Dass die Verbände die Einhaltung des Gesetzes einklagen können, ist einer der Mechanismen, die gewährleisten sollen, dass die Zielvorgaben tatsächlich erfüllt werden. Das ist nicht immer so. Beim Mobilitätsgesetz etwa hinkt die Umsetzung den Zielsetzungen hinterher. Die Initiative fürchtet daher, dass auch ihr Gesetz nicht den Vorgaben entsprechend umgesetzt werden könnte.
Neben der Klagemöglichkeit muss ein wissenschaftlicher Beirat eingesetzt werden, der die Erfüllung der Zielvorgaben prüft. Die Initiative wollte einen Kontrollrat, musste sich aber nach Verhandlungen mit den Regierungsfraktionen auf einen Beirat einlassen. Bei einer festgestellten Nichteinhaltung des Gesetzes soll das Land ein Sofortprogramm zur Klimaanpassung auf den Weg bringen. Auch auf Bundesebene gibt es ein solches Konzept für die Einhaltung der Klimaziele – laut Strößenreuther funktioniert das, laut Benedikt Lux von der Grünen-Fraktion nicht. Deshalb stimmen die Grünen der entsprechenden Änderung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs der Initiative nicht zu, sondern enthalten sich in diesem Punkt. »Da muss nachgeschärft werden«, so Lux in der Sondersitzung des Abgeordnetenhauses am Montag.
Ein weiteres Ergebnis aus den Verhandlungen des Gesetzes ist eine deutlich nach unten angepasste Kostenberechnung: 3,2 Milliarden Euro soll die Umsetzung bis 2040 nun kosten. Davon sollen 2 Milliarden aus dem Sondervermögen des Bundes gezahlt werden. Im Haushalt für die kommenden zwei Jahre sollen laut Strößenreuther außerdem bereits 14 Millionen für 2026 und 40 Millionen für 2027 eingeplant werden. Der Doppelhaushalt soll bis Ende des Jahres vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden.
»Wir werden als Initiative, ähnlich konstruktiv wie in den letzten Monaten, den Senat, CDU, SPD und die Bezirke begleiten.«
Heinrich Strößenreuther
Initiative Baumentscheid
Als Streitthema unter den Berliner Abgeordneten bleiben die Parkplätze. Denn der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner rühmt die Regierungsfraktionen dafür, dass sie aus einem »Parkplatzvernichtungsprogramm«, wie es der Entwurf der Initiative Baumentscheid gewesen sei, ein »funktionierendes Umweltprogramm« gemacht hätten. Im nun beschlossenen Gesetz sollen Straßenbäume grundsätzlich auf den Bürgersteigen zwischen Gehweg und Straße gepflanzt werden und nur in Ausnahmefällen woanders.
Auch hier sind die Grünen nicht zufrieden und enthalten sich bei der Abstimmung des entsprechenden Änderungsantrags. Es sei oftmals nicht genug Platz in diesem Bereich, so der Abgeordnete Lux. Dennoch weist er Stettner darauf hin, dass auch mit der Änderung an der ein oder anderen Stelle ein Parkplatz gehen werden müsse.
Abgesehen von solchen Uneinigkeiten und den vom beginnenden Wahlkampf geprägten Vorwürfen von der CDU auf der einen Seiten und den Grünen und der Linken auf der anderen Seite drücken dennoch die Abgeordneten abgesehen von der AfD-Fraktion ihre Freude über den Beschluss des neuen Baumgesetzes aus. Auch die Zuschauer*innen der Initiative Baumentscheid klatschen und jubeln am Ende der Sondersitzung – und werden dafür scharf zurechtgewiesen. Es könnte nur der erste Jubel sein. Die Initiative hofft, dass künftig auch in anderen Städten oder sogar bundesweit ähnliche Gesetze verabschiedet werden.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.