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Schüler: Pauken ja, mitreden nein
Politische Weichen werden ohne Beteiligung der Schüler gestellt, meint Kurt Stenger
Bekanntlich soll man nicht über Anwesende in der dritten Person sprechen, doch es kommt trotzdem immer wieder vor. In politischen Debatten trifft dieses Schicksal auf besonders krasse und paternalistische Weise die Kinder. Man denke nur an das finanzpolitische Credo alter konservativer Männer, Schulden und hohe Sozialausgaben seien schlecht, da die Kleinen dies später auszubaden hätten. Gegen diese Behauptung sprechen nicht nur viele gute Argumente, sondern die angeblich zu Schützenden kommen auch erst gar nicht zu Wort.
Auf diesen Ausschluss wies die Bundesschülerkonferenz am Wochenende hin. »Ignorant« sei es, wenn die Bundesregierung die Anliegen Jugendlicher bei den Wehrdienst-Plänen nicht berücksichtige, kritisierte der Generalsekretär des Dachgremiums der Schülervertretungen, Quentin Gärtner. Noch skandalöser ist es, dass das zentrale Sprachrohr von 7,5 Millionen Schülern im Land selbst bei Entscheidungen über Schulthemen nicht beteiligt, ja nicht einmal gefragt wird. Da ist es kein Wunder, dass beim Sondervermögen Infrastruktur vielleicht einige wenige Milliarden für die Sanierung der Schulgebäude abfallen, die bekannten Missstände im Alltag aber nicht angegangen werden. Es fehle flächendeckend an Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern, meint Gärtner. Zudem seien Lehrpläne erforderlich, »die sich an den Bedürfnissen der Schüler orientieren und nicht einfach Bulimie-Lernen verordnen«.
Besonders krass ist es bei den derzeit heißen Debatten Erwachsener über ein Handyverbot auf dem Schulhof oder eine Altersbegrenzung für Social-Media-Nutzung. Die Bundesbildungsministerin hat dazu eine Expertenkommission eingerichtet, in der wer mal wieder fehlt? Kinder und Jugendliche. Die würden sich für eine altersgerechte Medienbildung und die Vermittlung von KI-Kompetenz an den Schulen einsetzen. Auch dafür fehlt es derzeit an Lehrkräften, zumal die Weiterbildung bei einem zu kleinen Fachpersonalschlüssel viel zu kurz kommt. Derzeit können hier eher die Schüler ihren Lehrern Kompetenzen vermitteln als umgekehrt.
Schüler würden strukturell von Staat und Gesellschaft vernachlässigt, meint Quentin Gärtner. Dem ist unbedingt zuzustimmen. Im Ergebnis sind moderne didaktische Konzepte im unterricht kaum realisierbar. Es bleibt an der Schule wie im politischen Raum bei einem völlig veralteten, konservativen Verständnis der Rolle von Schülern: pauken ja, mitreden nein.
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