- Kommentare
- »Radikale Mitte«
FDP: Heiße-Luft-Verein mit Rechtsdrall
Jana Frielinghaus über die Ankündigung des FDP-Chefs, Partei der »radikalen Mitte« zu werden
In den vergangenen Monaten war es angenehm ruhig um die FDP, deren einstiger Lautsprecher Christian Lindner sich nach dem Bundeswahl-Desaster aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Seither hört man nur von Zeit zu Zeit Politrentner Wolfgang Kubicki Witze reißen. Angesichts der nach wie vor unter der Fünf-Prozent-Hürde dümpelnden Zustimmungswerte wirkt es wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde, wenn jetzt der aktuelle Vorsitzende Christian Dürr erklärt, die FDP wolle nun die »Partei der radikalen Mitte« werden.
Wer dort sein soll, teilt er nicht mit, und auch nicht, was er mit »echter Reformpolitik« meint, die seine Partei, nicht aber die Bundesregierung umsetzen könne. Moment mal, war die FDP nicht bis vor Kurzem selbst in der Bundesregierung? Dass sie, obwohl kleinster Partner in der Ampel-Koalition, dieser stets ihren unverkennbaren Stempel aufdrückte, hat ihr die eigene Klientel nicht gedankt. Und ist massenhaft von ihr abgerückt. Den einen war sie nicht rechtsradikal, den anderen nicht wirtschaftsliberal und schuldenbremsend genug. Und wer den Sozialstaat erhalten und den deutschen Militarisierungskurs nicht mitmachen will, hat eh schon lange nicht mehr die FDP gewählt.
Irgendwie hat die Partei gerade nicht so richtig ein Alleinstellungsmerkmal anzubieten außer jenem, besonders modern, heißt: technikgläubig zu sein. Viele Freunde macht sie sich damit nicht. Der Anti-Flucht-Kurs wird von der AfD am konsequentesten vertreten, deren zuverlässige Erfüllungsgehilfen sitzen in Union und SPD. Auch beim Abbau des Sozialstaats wird die FDP gerade nicht zusätzich gebraucht.
Allerdings haben die Liberalen, die längst eher Libertäre mit Vorbildern wie Javier Milei und Elon Musk sind, weiter potente Unterstützer in den Wirtschaftseliten. Die wollen den Staat auf den Hausmeister reduzieren, der optimale Kapitalverwertungsbedingungen schafft. Dass dafür auch Kaufkraft, Infrastrukturerhalt, Bildung und Kontrollorgane nötig sind, die finanziert werden müssen, blenden diese Wirtschafts-Ultras dabei gern aus. Bleibt abzuwarten, ob ihnen bis zur nächsten Bundestagswahl dann doch wieder eine clevere Kampagne gelingt. Für die braucht es allerdings wenigstens einen geschickten Rhetoriker und Manipulator wie Lindner.
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.