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Ex-Militärchef spricht von 220 000 Opfern in Gaza
Israels Armee habe »Handschuhe vom ersten Moment an ausgezogen«
Nach gesicherten Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde liegt die Zahl der von Israel im Gazastreifen Getöteten bei fast 65 000, weitere 164 000 sollen verletzt worden sein. Diese Statistik wird von Befürworter*innen von Israels verheerendem Gaza-Krieg immer wieder bestritten. Nun hat der ehemalige israelische Generalstabschef Herzi Halevi die Größenordnung bestätigt. Wie der britische »Guardian« berichtet, erklärte Halevi, mehr als zehn Prozent der 2,2 Millionen Einwohner Gazas seien getötet oder verletzt worden – »mehr als 200 000 Menschen«.
Halevi, der im März nach 17 Monaten an der Spitze der Armee zurücktrat, äußerte sich auch zum entgrenzten Vorgehen der Armee in Gaza: »Dies ist kein sanfter Krieg. Wir haben die Handschuhe vom ersten Moment an ausgezogen. Leider nicht früher.« Nicht einmal er sei eingeschränkt worden, betonte Halevi. »Nicht einmal. Auch nicht von der Militär-Generalstaatsanwältin Yifat Tomer-Yerushalmi, die im Übrigen gar nicht die Autorität dazu hat«, sagte er.
Dem israelischen Magazin »Ynet« soll Halevi gesagt haben, die Militärjustiz sei auch eher dazu dagewesen, Gesetzesübertretungen zu legitimieren und nicht einzuhegen: »Es gibt Rechtsberater, die sagen: Wir wissen, wie wir dies weltweit rechtlich verteidigen können.« Die israelische Armee äußerte sich nach einer Anfrage des »Guardian« nicht zu den Aussagen Halevis.
Am Mittwoch berichtete die israelische Zeitung »Haaretz«, dass Halevis Nachfolger Eyal Zamir Empfehlungen von Tomer-Yerushalmi ignoriert habe. Die Militär-Generalstaatsanwältin habe demnach angeregt, die Anordnungen zur Vertreibung von schätzungsweise einer Million Bewohner*innen von Gaza-Stadt vor einer Offensive zu verschieben, »bis es südlich von Gaza Einrichtungen gibt, die sie aufnehmen können«.
Trotzdem hat das Militär mit dem weiteren verheerenden Angriff begonnen – ohne dass es für die Hundertausenden Menschen einen Ausweichort gäbe.
Auch das israelische Magazin »+972« hatte jüngst mit anderen Medien Daten des Militärgeheimdienstes zu getöteten Palästinenser*innen veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass mindestens 83 Prozent von ihnen Zivilist*innen waren. Ende 2024 sprach Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zwar von »knapp 20 000« getöteten palästinensischen Kämpfern. »+972« zitiert dazu einen Mitarbeiter des Armeegeheimdienstes, der dies als »Lügenmärchen« bezeichnet.
Das Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Opfern ist im Gaza-Krieg eines der höchsten in einem bewaffneten Konflikt der vergangenen Jahrzehnte.
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