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Fabriken auf Sparflamme, Drohnen auf Zuruf

Rüstungsindustrie fordert staatlich finanzierte Reservekapazitäten für den Kriegsfall

Eine fliegende Granate der deutschen Firma Donaustahl. Ihr Gründer formuliert große Wünsche an die Bundesregierung.
Eine fliegende Granate der deutschen Firma Donaustahl. Ihr Gründer formuliert große Wünsche an die Bundesregierung.

Deutsche Hersteller von Kamikazedrohnen haben kurz vor Weihnachten Wünsche an die Bundesregierung formuliert: Sie fordern die Finanzierung von Produktionskapazitäten, die zunächst im Standby-Modus verharren, bei Bedarf aber innerhalb von 60 Tagen »auf Kriegsniveau produzieren« können. Zusätzlich soll der Staat einen Materialpuffer von 200 000 Stück kleiner Angriffsdrohnen anlegen, berichtet das Reservistenmagazin »Loyal«. Simon Brünjes, Manager beim Rüstungs-Start-Up Helsing, begründet dies mit Berechnungen auf Basis des Ukraine-Kriegs.

Bei der Bundeswehr gelten die mit Künstlicher Intelligenz selbst ins Ziel steuernden Systeme nicht als Drohnen, da sie beim Auftreffen zerstört werden. Durchgesetzt hat sich deshalb der Begriff »herumlungernde Munition« (»Loitering Ammunition«). Die Einweg-Systeme können über dem Gefechtsfeld kreisen, bis sie ihr Ziel finden und sich darauf stürzen

Stefan Thumann vom Start-up Donaustahl schlägt vor, Unternehmen auch dafür zu bezahlen, dass sie für die intelligente Munition »ad hoc Produktionskapazitäten in großer Höhe vorhalten«. Diese Standby-Fabriken müssten »immer einen Grundstock von ein paar Tausend Systemen auf Lager haben«, die mit halbjährlichen Updates erneuert würden – während die Altsysteme bei Übungen verbraucht werden könnten.

Hintergrund der Forderungen ist die seit Monaten laufende Erprobung von KI-gestützten Kamikazedrohnen durch die Bundeswehr. Generalinspekteur Carsten Breuer zeigte sich bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik am Montag in Bonn zufrieden mit Testergebnissen der vergangenen Monate. Er sehe die Trefferwahrscheinlichkeit von Kamikazedrohnen verschiedener Hersteller »bei über 90 Prozent«, sagte Breuer. Die Systeme verfügen über eine Reichweite von rund 100 Kilometern – und können auf diese Weise auch den Nachschub gegnerischer Truppen hinter der Frontlinie empfindlich treffen.

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Den im Frühjahr formulierten Plan, bis Jahresende eine Beschaffungsentscheidung für größere Mengen »herumlungernder Munition« zu treffen, bezeichnete Breuer laut dem Militärmagazin »Hartpunkt« als erfüllt. Das Verteidigungsministerium will nach Informationen des Magazins drei deutsche Hersteller damit beauftragen: die Technologie-Start-ups Helsing und Stark sowie den Rüstungskonzern Rheinmetall. Die Firma Donaustahl mit ihrer Idee herumlungernder Fabriken ginge demnach leer aus.

An die von Helsing angestrebten Kapazitäten kommt die Bundeswehr aber nicht annähernd heran: Die Drohnenbestände des Heeres sollen auf gerade einmal 12 000 Systeme anwachsen, dafür veranschlagt das Verteidigungsministerium vier Jahre Zeit.

Die Drohnenindustrie sieht indes weitere strukturelle Schwächen: Bei Batterien und Rohstoffen wie Lithium bestehe eine sehr starke Abhängigkeit von China, auch bei hochleistungsfähigen Chips gebe es keinerlei Produktion in Europa – weshalb sich manche Drohnenhersteller mit bestimmten Endprodukten sogar bevorraten. Helsing-Manager Brünjes fordert deshalb eine »sinnvolle Rüstungsstrategie für Drohnen« mit diversifizierter Rohstoffversorgung. Nur eine Kette an Maßnahmen könne »zu einem kriegstüchtigen Ökosystem zur Drohnenproduktion in Deutschland und Europa führen«.

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