Das Krokodil und sein Goldfisch

Late-Night-Talker Jimmy Kimmel ist seinen Job los. Wegen Charlie Kirk

Cancel Culture – Das Krokodil und sein Goldfisch

Jimmy Kimmel war auf einem guten Weg, zum Rekordhalter zu werden. 23 Saisons in Folge hatte er als Gastgeber seiner Late-Night-Talksendung »Jimmy Kimmel Live!« mal mehr, mal weniger gelungene Witze gemacht, und er befand sich damit auf den Spuren der Talk-Legende Jimmy Carson, der es in dieser Disziplin auf eine stolze 30 gebracht hat. Jimmy Kimmel, geboren 1967 in New York, hat in seiner Show seit 2003 so manchen Sturm und manche Peinlichkeit und auch viele mittelmäßige Pointen überlebt. Die meisten Jahre seiner Karriere hat er dabei in einer einigermaßen demokratisch geprägten Demokratie arbeiten dürfen, in der es gern auch mal deftig zugehen darf: Freedom of Speech, Redefreiheit, ist dort traditionell stets sehr hoch gehalten worden, so hoch, dass es einem hierzulande manchmal schwindelig werden konnte, was alles erlaubt war in jenem Land jenseits des Großen Teichs.

Das war damals. Ob es dieses Land der Großen Freiheit noch gibt oder jemals wieder geben wird, ist von Tag zu Tag fraglicher. Und Jimmy Kimmel stand, vielleicht noch mehr als jeder politische Gegner auf der Abschussliste des derzeitigen Präsidenten der USA, Donald Trump: Niemanden muss eine Witzfigur, die zum Autokraten werden möchte, auf ihrem Weg mehr fürchten als Comedians, die mit dem blanken Finger aufs Lächerliche und auf die Lüge zeigen. Als im Juli schon Kollege Stephen Colbert von seinem Sender CBS das baldige Aus mitgeteilt bekam, trompetete Trump bereits: »Als Nächster ist Kimmel dran!« Er sollte Recht behalten, und der Abgang Jimmy Kimmels warf ein Schlaglicht auf die politisch-medialen Zusammenhänge des Landes, dessen Regierung abweichende Meinungsäußerungen als feindlichen Akt begreift.

Jimmy Kimmel hatte sich die Freiheit genommen, darauf hinzuweisen, dass der mutmaßliche Mörder von Charlie Kirk möglicherweise selbst Trumps MAGA-Bewegung nahe gestanden habe. Und dass die MAGA-Leute nun alles dafür täten, von dieser Möglichkeit abzulenken. Das war eine nachvollziehbare Spekulation, noch nicht mal besonders witzig, leider, und dann war Sendeschluss für Jimmy Kimmel. Der Chef der Medienaufsichtsbehörde FCC, Brendan Carr, ein Trump-Mann, drohte den Sendepartnern des produzierenden Senders ABC unverhohlen: »Wir können es auf die einfache oder auf die harte Weise erledigen. Sie können Maßnahmen in Bezug auf Kimmel ergreifen. Oder das FCC hat noch ein bisschen Extraarbeit zu tun ...« Kurze Zeit später verkündete ABC: Kimmel werde aus dem Programm genommen. Man hätte ihm gewünscht, es wäre wegen seiner Trump-Pointe gewesen. Die handelte von der Trauer-Aufführung, die der Präsident wegen Charlie Kirk darbot: »So sieht es nicht aus, wenn ein Erwachsener jemanden betrauert, den er seinen Freund nennt. So sieht es aus, wenn ein Vierjähriger seinen Goldfisch betrauert.« Das hat Trump vermutlich präziser getroffen als alles andere. Die nächsten Late-Night-Talker, die er gehen sehen möchte, sind Jimmy Fallon und Seth Meyers. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein.

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