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In Infogewittern
Zu viel Zeitung lesen ist gar nicht gesund
Wie wir dem Psychologie-Ressort der »Süddeutschen Zeitung« entnehmen, ertrinken »die Menschen« derzeit in einer »Flut von Informationen«. Neben den bekannten Weltmeeren – Atlantik, Pazifik etc. –, so teilt das Blatt mit, existiere ein weiterer Ozean: der »Ozean der endlosen Information«. Da wollen wir als Bingewatcher von Meeresbiologinnen-Videos schon aufschreien: Aber es gibt doch nur EINEN Ozean, alles Salzwasser hängt zusammen! Doch schon analysiert die »Süddeutsche« weiter: Wer das Smartphone in die Hand nehme, verliere sich oft in »unendlichen Angeboten«. Dies und sämtliche beigeordneten Gefahren zu bezeugen, hat das Blatt einen Psychologen zur Aussage bewegen können, Herrn Stephan Lewandowsky von der Universität Bristol. Dieser hat die ganze missliche Lage unseres Ertrinkens seit Jahren analysiert und rät uns daher: »bestimmte Inhalte« bewusst zu ignorieren.
Ja, good God, aber welche denn! Wie kann ich den Wert verschiedener Inhalte gegeneinander abwägen, ohne sie dabei zur Kenntnis zu nehmen? Diese Problematik würdigend, tut der examinierte Experte, was nur examinierte Experten tun dürfen: Sage »Bauchgefühl«, ohne »Bauchgefühl« zu sagen. Lewandowskys Lifehack: »Ich vergleiche das gern mit der Nahrungssuche von Tieren: Sie folgen einer Spur, die vielversprechend wirkt – etwa einem Geruch – und entscheiden dann, ob sich die Suche lohnt. Mit Informationen ist es ähnlich. Wir bewegen uns durch eine riesige Landschaft, und wenn uns etwas interessant erscheint, können wir entscheiden: übergehen oder vertiefen.«
Das überflutet mich jetzt aber! Eben war ich noch auf Ozeanen am Versinken, nun bin ich doch in einer Landschaft gelandet! Die Info-Flut scheint von erdbebenartigen Metapherngewittern begleitet zu sein. Headlines aus den letzten fünf Minuten scrollen vor meinem inneren Auge: »Menschen würden am ehesten auf Geruchssinn verzichten«. Wie wollen sie sich dann in der Informationswüste orientieren? »Ich schaue keine Filme, sagt Denzel Washington.« DAS scheint die Botschaft des Tages zu sein. Einfach NÜSCHT mehr sehen, schnuppern, wissen wollen. Zeitung zu. Tschüs! Herrlich.
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