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Verfütterte EU-Klimaziele
Fatales europapolitisches Wirken der Bundesregierung
Ist ein Bundesumweltminister eigentlich ein Kämpfer für die Transformation Richtung Nachhaltigkeit oder erfüllt er doch nur die Aufgabe eines Frühstücksdirektors in grünem Wams? Dies gehört seit vielen Jahren zu den halbwegs spannenden Fragen im politischen Berlin – und lässt sich wie manches andere auch nicht generell beantworten. Klar ist, dass Umweltminister mit den lobbymacht-gestärkten Wirtschaftsministern qua Amt überkreuz liegen. Und der amtierende Umweltressortchef Carsten Schneider hat es besonders schwer: Sein Widerspart ist mit Katharina Reiche die wohl krasseste Vertreterin der Wünsche fossiler Industrien seit Jahren auf dem Ministerposten. Und sie kann sich mit Friedrich Merz auf dem Kanzlerthron auch noch auf Rückendeckung von ganz oben verlassen. Der SPD-Mann kann auf den Koalitionsvertrag verweisen, wie er will, doch die CDU-Ministerin wirft der Klimapolitik samt der grünen Energiewende seit Wochen einen Knüppel nach dem anderen vor die Beine.
So ist wohl auch der Kuddelmuddel erklären, den die Bundesregierung in Sachen neuer EU-Klimazwischenziele für 2035 und 2040 derzeit auf europäischer Ebene veranstaltet. Die angeblich so geschwächte Wirtschaftsmacht Deutschland verfügt nach wie vor über besonderen Einfluss in Brüssel und lässt diesen gerade in Umweltfragen spielen. Die Berliner Vertreter stellen sich aus Imagegründen zwar nicht offen auf die Seite von Viktor Orbán und anderer Ultrarechter, denen jeglicher Klimaschutz fremd ist. Doch de facto macht man auf leisem Wege deren Geschäft, indem man Mehrheitsentscheidungen ausbremst und lieber auf das EU-Gipfel-Einstimmigkeitsprinzip setzt. Wohl wissend, dass dabei wenig Gutes fürs Klima herausspringen wird und dass man sich wunderbar hinter der dänischen Ratspräsidentschaft verstecken kann.
Ob unser Umweltminister, der öffentlich immer wieder für halbwegs ambitionierte neue Klimaziele wirbt, nun ein Umfaller ist oder nur den nicht durchsetzungsfähigen Frühstücksdirektor gibt, ist letztlich schurzpiepegal. Es kommt darauf an, dass die EU wenige Wochen vor dem nächsten Weltklimagipfel ein fatales Zeichen weit über die eigenen Grenzen hinaus setzt – und auf Betreiben der Bundesregierung auch die europäische Umweltpolitik an die fossile Lobby verfüttert wird.
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