Tagebau Hambach: Baggerbesetzung vor Rodungszeit

Aktivist*innen besetzen Bagger für sieben Stunden

Aktivisten hängen an einem besetzten Kohlebagger im Tagebau Hambach. Die Aktion richte sich gegen die bevorstehende Rodung eines Teils des Hambacher Forsts durch den Kohlekonzern RWE, um einen Jachthafen am Rand des Tagebaus zu bauen. Die Aktivisten befürchten eine Räumung und Rodung des besetzten »Sündenwalds« in den nächsten Wochen.
Aktivisten hängen an einem besetzten Kohlebagger im Tagebau Hambach. Die Aktion richte sich gegen die bevorstehende Rodung eines Teils des Hambacher Forsts durch den Kohlekonzern RWE, um einen Jachthafen am Rand des Tagebaus zu bauen. Die Aktivisten befürchten eine Räumung und Rodung des besetzten »Sündenwalds« in den nächsten Wochen.

Die Nachricht um 6:35 Uhr kam etwas überraschend. Aktivist*innen hätten einen Kohlebagger im Braunkohletagebau Hambach besetzt, die Förderbänder stünden still und den Bagger zierten Transparente mit Aufschriften wie »Kohlebagger entern, Kapitalismus kentern« und »Shut Down Capitalism. Save the planet. Install Anarchism«. Überraschend kam die Meldung, weil es ruhig geworden ist um das Rheinische Revier. Die Räumung von Lützerath im Januar 2023 war das letzte Großereignis. Mittlerweile hat Nordrhein-Westfalen beschlossen, dass die Kohleförderung in den riesigen Tagebauen 2030 endet.

Der Aktivismus rund um die Kohlelöcher hat sich mit dem näherrückenden Ende der Förderung geändert. Meist geht es heute darum, wie die geretteten Dörfer gefördert werden können, welche Formen der Mitsprache es gibt und ob die Region nicht Vorbild für einen sozial-ökologischen Wandel sein kann. Themen, die auf Konferenzen, bei Workshops und in Bürgerdialogen beraten werden. Belebt wurden die Dörfer, die dem Tagebau Garzweiler eigentlich weichen sollten, kürzlich mit dem Festival »Kultur an der Kante«. Es tut sich also durchaus noch etwas im Rheinischen Revier.

Auch den direkteren Aktivismus gibt es schon. Am Tagebau Hambach ist das Sündenwäldchen besetzt. Ein winziges Waldstück, das ab dem 1. Oktober komplett gerodet werden könnte. Auch darauf wollten die Baggerbesetzer*innen mit ihrer Aktion am Freitagmorgen aufmerksam machen. Unter dem besetzen Wäldchen liegt Kies und den braucht RWE für die Gestaltung des Sees, zu dem der Tagebau Hambach werden soll. Ab 2030 soll der Tagebau bis zum Jahr 2070 mit Rheinwasser gefüllt werden. Der See und die Grundwasserleiter in Hambach und Garzweiler sollen mit 20 Milliarden Kubikmeter Wasser gefüllt werden. Zum Vergleich: Der Bodensee ist mit 48 bis 50 Milliarden Kubikmeter Wasser gefüllt.

Die Baggerbesetzer*innen halten die Füllung des Tagebaus mit Wasser und die Nutzung des Kieses für die Errichtung eines Freizeithafens für keine gute Idee. »Am Thema Wasser zeigt sich, dass immer noch die Profitinteressen von RWE über Bedürfnissen von Menschen und Natur stehen. Die Klimakrise, welche von der Braunkohleindustrie mitverursacht wird, trägt zu Trockenheit bei. Gleichzeitig verknappt sich überlebenswichtiges Wasser durch Quatsch-Projekte von RWE, wie zum Beispiel den Tagebau Hambach zu fluten und einen Jachthafen darin zu bauen«, erklärt eine Aktivistin, die sich Jessie nennt. Und auf noch etwas macht sie aufmerksam: eine mögliche Versauerung des Tagebausees.

Die Wasserqualität des Megaprojekts ist schon länger ein Thema. Unter anderem der BUND warnt vor dem »gigantischen Eingriff« in die Region durch die Einleitung des Rheinwassers. »Mikroschadstoffe wie die Ewigkeitschemikalien PFAS oder Mikroplastik würden den bergbaubedingt schlechten chemischen Zustand der Wasserkörper im Rheinischen Revier weiter beeinträchtigen. Das ist rechtlich unzulässig«, warnt Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND-NRW. Ebenso warnt der Umweltverband vor der ungünstigen Stelle, an der das Wasser aus dem Rhein entnommen wird. Sie liege in der »Abwasserfahne« der Chemieparks Dormagen und Leverkusen. Der Umweltverband fordert deshalb auch Maßnahmen, um im Störfall die Entnahme kontaminierten Wassers sofort zu stoppen.

Dass es keine allzu gute Idee sein könnte, wie geplant ungereinigtes Wasser in die Kohlelöcher zu füllen, ist mittlerweile auch der Landesregierung aufgegangen. Sie hat ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben. Beim Erftverband, der für die Wasserqualität in der Region verantwortlich ist, ist man darüber froh. Gegenüber der »Aachener Zeitung« gibt sich ein Vertreter des Verbands erleichtert darüber, dass das Gutachten kommt. Die Flutung der Tagebaue sei eine der »herausforderndsten wasserwirtschaftlichen Transformationen«. Gerade bei den Grundwasserveränderungen gehe es um die »Zukunft einer ganzen Region«.

Für die Zukunft des Sündenwäldchens harrten die Aktivist*innen bis zum Nachmittag auf Bagger und Förderbändern aus. Dass die Polizei erst nach mehreren Stunden mit einem Großaufgebot kam, kommentierten sie in ihrem Livestream ironisch: »Die haben sich wohl verfahren, der Tagebau ist ja nicht so leicht zu finden.«

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