Vom falschen Ende aufgezäumt

Kürzungsideen bei der Pflegeversicherung sind der falsche Ansatz

Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) äußert sich unklar zu der Kürzungsidee.
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) äußert sich unklar zu der Kürzungsidee.

Dass Kürzungsideen bei der Pflegeversicherung die Runde machen, kommt nicht wirklich überraschend. Der Ton, in dem der »Herbst der Reformen« vom Kanzler und seinen Parteifreunden angekündigt wird, klingt nach einem Brainstorming für soziale Grausamkeiten. Eine Idee, die die Runde macht, ist offenbar die Streichung der Pflegestufe 1, die für die häusliche Betreuung naher Angehöriger von zentraler Bedeutung ist, da zumindest einige der Kosten erstattet werden.

Dass die Kürzungsidee einfach so durchgeht, ist dabei unwahrscheinlich. Hier dürfte die SPD doch mal entschieden nein sagen. Extrem bedenklich wäre der Vorgang aber auch dann: Es ist nämlich der falsche Ansatz, sich zuerst die Finanzlage der Pflegekasse anzuschauen und danach zu berechnen, was finanzierbar ist und was nicht. Es handelt sich hier ja nicht um eine Privatversicherung, die so kalkulieren muss, sondern um eine gesetzliche Leistung. Und die hat sich nach dem Bedarf zu richten, und der wächst gerade bei der häuslichen Pflege. Die Debatte müsste sich also darum drehen, wie die milliardenschweren Finanzlöcher in der Pflegeversicherung gefüllt werden. Und da gibt es drei Möglichkeiten: Beitragserhöhungen, Deckung durch den Staat oder – Stichwort Reformen – durch Umwandlung in eine »solidarische Pflegevollversicherung«.

Davon ist im politischen Berlin bisher kaum die Rede. Aber wenn man das Pferd vom falschen Ende aufzäumt, kommt man nie zu einer Reformdebatte – weder in diesem noch in irgendeinem anderen Herbst.

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