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Wer zweimal lügt, dem glaubt man
Klage gegen Gröner-Spende an Berliner CDU abgewiesen
Wenn es nach Christoph Gröner geht, braucht es eine starke konservative Kraft, um gegen Missstände in Berlin vorzugehen. Obwohl der gebürtige Karlsruher in Köln wohnt, hat er große Visionen für die Hauptstadt: Gröners Immobilienunternehmen CG Gruppe verdankt Berlin die Hochhausruine Steglitzer Kreisel und den Neubau-Komplex Carré Sama-Riga in der Rigaer Straße.
Freuen dürfte den Unternehmer, dass eine konservative Partei seit zweieinhalb Jahren in Berlin für Recht und Ordnung sorgt. Dabei hat er sogar mitgeholfen: Mit zwei Großspenden innerhalb eines Jahres vor der Abgeordnetenhauswahl 2021 hat Gröner der Berliner CDU insgesamt 800 000 Euro zukommen lassen. Darum muss er sich am Dienstag vor dem Berliner Verwaltungsgericht rechtfertigen: In der Fortsetzung der Klage gegen die Bundestagsverwaltung sagt er als Zeuge aus. Das Gericht weist die Klage der Satirepartei »Die Partei« von Martin Sonneborn jedoch zurück.
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Als »Novum« bezeichnet die NGO Lobbycontrol die Klage. »Zum ersten Mal verklagt eine dritte Partei die Bundestagsverwaltung wegen Nichttätigkeit bei der Prüfung einer möglicherweise illegalen Parteispende an eine andere Partei«, teilt diese mit. Tatsächlich teilt das Gericht in seinem Urteil mit, dass die Klage grundsätzlich zulässig war. Lobbycontrol hatte maßgeblich mittels eines Rechtsgutachtens dafür gesorgt, dass die Gröner-Spende vor Gericht landete. Ein erster Termin in der Sache fand im Mai statt.
Vor Wahlen wird in Deutschland besonders viel gespendet – das zeigt eine Datenbank von Lobbycontrol. Eine gesetzliche Obergrenze, wie viel jemand an Parteien spenden darf, gibt es nicht. Aber: Eine Spende wird dann illegal, wenn die spendende Person eine Forderung an das Geld knüpft – ganz unabhängig davon, ob die Partei danach handelt. Gröner beteuerte am Dienstag vor Gericht zwar, keine Forderungen gegenüber CDU-Politiker*innen formuliert zu haben. In der Vergangenheit hatte er jedoch öffentlich bereits zwei Mal das Gegenteil behauptet.
Somit habe Gröner, wie er am Dienstag mehrfach vor Gericht sagt, in journalistischen Interviews gelogen. Das erste Mal im Deutschlandfunk 2021: »Ich habe der CDU drei Bedingungen gesetzt. Ich habe gesagt, ich möchte, dass die Kinder im Kinderheim, die behindert sind, genauso viel Geld für ihre Kleider kriegen wie die nichtbehinderten. Die kriegen nämlich 200 Euro weniger. Ich habe gesagt: Wenn das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel nicht abschafft, dann möchte ich auch, dass die CDU den nicht abschafft, aber modifiziert«, sagte er im Interview auf Nachfrage zur CDU-Spende.
Das zweite Mal gelogen hat Gröner laut eigenen Aussagen zwei Jahre später im Interview mit dem »Tagesspiegel«. »Ich habe eine einzige Forderung an den Herrn Wegner gestellt, und die war die, dass ich gesagt habe: ›Kinder im Kinderheim, die behindert sind, sollen bitte in Zukunft den gleichen Kleidersatz kriegen wie Kinder, die nicht behindert sind.‹ Das ist sozusagen schriftlich fixiert«, wird er darin auf Nachfrage zur CDU-Spende zitiert.
Warum hat der Unternehmer Journalist*innen so oft angelogen? Er habe die Presse, die gerne mal »Klassenkampf-Theorien« aufstelle, auf eine falsche Spur lenken wollen, so Gröner. »Ich bin nicht der Kapitalist, den ihr erwartet« – so habe er sie überraschen wollen. Als einer, der sich wahrhaftig für die Kinder einsetze – so habe sich Gröner darstellen wollen, denn das entspreche auch der Realität. Ungünstig nur, dass die von ihm postulierte Ungleichbehandlung von Kindern mit und ohne Behinderung in Heimen laut Aussagen des Gerichts gar nicht existiert.
»Ich bin nicht der Kapitalist, den ihr erwartet.«
Christoph Gröner Immobilieninvestor
In Wahrheit habe Gröner der CDU mit seiner Spende nur bei einer Werbekampagne helfen wollen, wie er vor Gericht sagt. Das habe er mit Kaufleuten und in Anwesenheit von CDU-Politiker*innen besprochen. So habe er sich beispielsweise Plakate vorgestellt, auf denen Autos abgebildet sind und »keine Macht den Drogenbossen« zu lesen sei, um gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen. Ironischerweise läuft gegen Gröners Immobilienfirma, die Gröner Group GmbH, seit Mai ein Insolvenzverfahren. Der Vorwurf: Er soll zu spät angegeben haben, dass seine Firma pleite ist und zuvor über 31 Millionen Euro des Firmengeldes an seine private Familien-Vermögensverwaltung überwiesen haben.
Das Gericht begründete das Urteil zur Gröner-Spende damit, dass kein Verstoß gegen das Parteiengesetz vorliege. Die Kammer glaube der Erzählung des Immobilienunternehmers Christoph Gröner, derzufolge dieser vor der Presse unter einem hohen Rechtfertigungsdruck gestanden und darum gelogen habe.
Die NGO Lobbycontrol fordert über den Fall Gröner hinaus, dass eine unabhängige Kontrollbehörde für Parteispenden eingerichtet werden soll. Denn nirgends wird so viel an Parteien gespendet wie hierzulande – und nirgends seien so viele Spenden intransparent. Auch das hat die Organisation durch eine investigative Recherche 2024 belegt.
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