Die UN-Sanktionen treffen im Iran die Falschen

Zehn Jahre nach ihrer Aufhebung kehren die UN-Sanktionen zurück: Hartliner feiern, die Bevölkerung zahlt den Preis, kommentiert Negin Behkam

Irans Präsident Pezeshkian versprach im Wahlkampf: »Nein zu Sanktionen, Nein zu Armut, nein zu Krieg«.
Irans Präsident Pezeshkian versprach im Wahlkampf: »Nein zu Sanktionen, Nein zu Armut, nein zu Krieg«.

Die UN-Sanktionen gegen den Iran sind zurück. Sie treffen ein Land, das ohnehin seit Jahren in einer schweren Krise steckt: Armut, Inflation, Korruption und politische Repression bestimmen längst den Alltag. Doch nun verschärfen die Sanktionen diese ohnehin unerträgliche Lage weiter – und erinnern die Menschen an eine Zeit, von der viele gehofft hatten, sie nie wieder erleben zu müssen.

Die Islamische Republik bestreitet die wirtschaftlichen Auswirkungen der reaktiviserten Sanktionen. An der Urananreicherung wolle man unter keinen Umständen rütteln, heißt es aus Teheran. Damit setzt das Regime die nationale Interessen für sein Atomprogramm aufs Spiel.

Irans Hardliner und Sanktionsprofiteure feiern unverhohlen das Scheitern des Atomabkommens. Warum sollten sie auch klagen? Die Sanktionen eröffnen ihnen wieder ein lukratives Schattenreich: Der Schmuggel mit Öl und inoffiziellen Geschäften wird florieren – und eine bestimmte Elite im Regime kassiert Milliarden, während die einfachen Menschen im Land weiter veramt. Es sind die Ärmsten, deren Kaufkraft weiter sinkt, deren Lebensbedingungen härter werden.

Die religiösen Hardliner sprechen von »Widerstand« und »Sieg«. Sanktionsprofiteure und korrupte Staatsmänner tun so, als sei die Rückkehr der Isolation eine historische Chance. Und sie leugnen die Folgen, die mit jedem Supermarktbesuch und jeder Stromrechnung deutlich werden.

Vor 18 Jahren verhängte der UN-Sicherheitsrat erstmals Sanktionen gegen den Iran. Der damalige Präsident Mahmoud Ahmadinejad trat im Parlament ans Mikrofon und erklärte allen Ernstes, die Maßnahmen hätten »keinerlei Wirkung« – sie seien vielmehr eine wirtschaftliche Chance. Währenddessen rutschten Millionen Iraner immer tiefer in Armut. Ich lebte damals noch im Iran und arbeitete als Journalistin. Ich wurde Zeugin, wie die Mittelschicht schrumpfte und die Lebensgrundlagen der Menschen zerfielen.

Negin Behkam

Negin Behkam wurde in Teheran geboren. Dort hat sie für verschiedene Zeitungen als Redakteurin gearbeitet. Einige davon wurden von der Regierung geschlossen. Nun arbeitet sie als Redakteurin im Social-Media-Ressort des »nd«.

Heute wiederholt sich die Geschichte – mit einem Präsidenten, der alle Versprechen brach. Masoud Pezeshkian trat vor einem Jahr mit großen Worten an: »Nein zu Sanktionen, Nein zu Krieg, Nein zu Armut und hohen Preisen, Nein zu Korruption und Ineffizienz, Nein zur Demütigung von Frauen, Nein zur Filtering.« Viele erinnern sich an die Wahlplakate, die in diesen Tagen erneut zwischen iranische Social-Media-Nutzer*innen kursieren.

Ein Jahr später hat Pezeshkian keine einzige von seinem sechs Wahlversprechen eingehalten. Die wirtschaftliche Ordnung liegt weiterhin in Trümmern. Korruption greift um sich. Armut und hohe Preise rauben den Menschen den Atem. Viele Bürgerrechtlerinnen und politische Aktivistinnen sitzen im Gefängnis, über tausend Menschen wurden allein in diesem Jahr hingerichtet. Ein Krieg brach aus; Pezeshkian war nicht in der Lage, den israelischen Angriff zu verhindern. Die Zensur bleibt bestehen. Facebook, Twitter, Instagram, Telegram – alles gefiltert. Und die Atomsanktionen, einst im Zentrum seines Wahlkampfs, sind nun Realität.

Und doch existiert die Islamische Republik weiter: trotz landesweiter Proteste, trotz große Streiks, trotz der jüngsten großen Bewegung – Frau, Leben, Freiheit-Bewegung –, die die Welt erschütterte. Viele Menschen sind verzweifelt, fühlen sich hilflos.

Die Wahrheit ist: Weder Sanktionen noch Krieg haben zum Untergang der Islamischen Republik geführt, sondern nur die Bevölkerung selbst wurde geschwächt. Jedes neue Sanktionspaket hat das Leben der Menschen schwieriger gemacht, ihre Perspektiven beschnitten, ihre Hoffnungen zerstört. Wer heute noch behauptet, Sanktionen seien eine »Chance«, sollte in die leeren Kühlschränke der Menschen schauen – und in die vollen Taschen korrupter Staatsmänner und Sanktionsprofiteure.

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